Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
»Ich werde bereit sein. Portsmouth im April. Das klingt ganz nach ein wenig Urlaub.«
Barlow starrte ihn über die Spitze seiner Zigarre hinweg an. Er hatte noch etwas zu sagen. John blieb sitzen, ein Bein lang ausgestreckt. »Ich glaube nicht, dass wir je einen Mann im Einsatz hatten, der so viel über die Gesamtsituation und die Einsatzorte verschiedener Agenten wusste wie Sie.«
John machte ein ausdrucksloses Gesicht. »Ihre Agenten halten wohl normalerweise nicht lange genug durch.«
Barlow nickte nachdenklich. »Sie sind ein kostbares Gut für uns. Vielleicht sollten wir nicht Sie schicken, um an diese spezielle Information zu kommen.«
John hielt den Atem an. »Sie denken also, ich könnte entweder zum Doppelagenten werden oder unter der Folter zu viel verraten.« Für dieses Problem gab es für Barlow zwei Lösungen. Er konnte John von der Aufgabe abziehen oder ihn töten. John gefiel keine der beiden Möglichkeiten.
Barlows alte Augen hoben sich von der Spitze seiner Zigarre zu Johns Gesicht. »Es ist ein Risiko.«
»Ich kann Schmerzen recht gut aushalten.« Er würde die unausgesprochene Frage, ob er ein Verräter war, nicht beantworten.
»Alle Männer knicken irgendwann ein, Junge.«
»Aber Sie haben keinen besseren. Also werden wir uns diese Unterhaltung aufsparen, bis wir den Kopf des französischen Netzes gefunden haben.« John schlenderte zur Tür. »Ich warte darauf, von Ihnen zu hören.«
»Das werden Sie«, murmelte Barlow, nachdem sich die Tür hinter John geschlossen hatte.
John ging die Hintertreppe des Clubs hinunter. Er war froh, dass er Barlow nichts von den Straßenräubern gesagt hatte. Das hätte ihm nur einen weiteren Vorwand geliefert, jemanden zu schicken, der nicht so fähig war wie John. Die Wahrheit war, dass er sich nur mit dem Adrenalin lebendig fühlte, das bei einem Auftrag durch seine Adern schoss.
Seine Gedanken gingen zehn, zwölf Jahre zurück. Wann war er zu dem geworden, der er war? Nachdem er sich lange Zeit auf dem Kontinent herumgetrieben hatte, immer auf der Flucht vor dem Spott der Welt und vor Angela, war ihm das Leben irgendwann leer vorgekommen. Eines Tages dann, während er in Wien einen Erzherzog unter den Tisch getrunken hatte, war er in den Besitz einiger sehr interessanter Informationen gelangt. Als er am darauffolgenden Nachmittag aufgewacht war, hatte er begriffen, dass diese Informationen seinem Land nutzen konnten. John verzog das Gesicht. Langley, der freiwillige Spion. Er hatte geschworen, sein Leben damit hinzubringen, sein Land zu lieben, wenn er sich schon nicht dazu überwinden konnte, Frauen zu lieben. Schlimm, wie romantisch er gewesen war, selbst noch mit wie vielen Jahren? Siebenundzwanzig? Er hatte gedacht, Sex mit Frauen zu haben, anstatt sie zu lieben, hätte ihn gefühlskalt gemacht. Was hatte er denn schon gewusst, damals? Das war vor dem Töten gewesen, bevor er erkannt hatte, dass er ein verzichtbares Gut für seine Regierung war, bevor er gewusst hatte, was es mit einem machen konnte, wenn man sich mit menschlichem Abschaum abgab.
Er fragte sich, was er tun würde, würde Barlow ihn je abziehen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie öde das Leben sein würde, ohne dass es diesen kleinen Sinn hatte. Falls Barlow ihn am Leben ließ …
Beatrix fuhr vor der beeindruckenden Fassade von Bessborough House vor, begleitet von Frederick Ponsonby, einem jungen Colonel des 12. Leichten Dragonerregiments, der zufällig auch der Sohn des Duke und der Duchess of Bessborough war. Der Freitag war für Beatrix absolut interessant gewesen. Nur eine Nacht hatte sie Zeit gehabt, um eine Einladung zu einer exklusiven Gesellschaft zu bekommen, deren Gastgeberin berüchtigt wählerisch war, was ihre Gäste betraf. Beatrix glückte es letztlich immer, in die höhere Gesellschaft vorzudringen, aber die Herzogin und ihresgleichen waren die letzte Bastion, die noch hatte fallen müssen. Eine Herausforderung. Genau genommen hatte ihre Konzentration auf Langleys Herausforderung sogar ihre Erinnerungen für fast zwei Tage in Schranken gehalten.
Das einzige wirkliche Risiko war der Zeitfaktor gewesen. Beatrix war in der Abenddämmerung aufgestanden und hatte nach ihrer Zofe geschickt. Betty musste kaum gedrängt werden, ihr mehr Informationen über die Herzogin zu geben, als Beatrix sich je hatte wünschen können. Als Beatrix erfuhr, dass die Duchess einen noch sehr jungen, wenn auch schon sehr tapferen Sohn hatte, war der Plan schnell geschmiedet. Eine an
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