Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
konnten sie nicht in einem schönen Speisezimmer wie dem zu Hause ihren Hunger stillen? Außerdem stank dieser Mann. Weil Stephan darauf achtete, dass sie regelmäßig badete, und sich auch selbst daran hielt, fand sie den Geruch dieses ungewaschenen Mannes übelkeiterregend. Aber ihre Abscheu wurde überstimmt vom Ruf ihres Blutes. Sie dachte daran, dass der Mann den Kopf heben solle, und das tat er und bot seine Kehle dar. Beatrix spürte das Blut in ihm pulsieren. Es erregte sie und den, der ihren Körper mit ihr teilte.
Asharti glitt neben sie. Hinter ihr sagte Stephan: »Beiß ihn.«
Beatrix fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Ihre Fangzähne waren bereits lang und scharf. Sie atmete schwer. Sie stellte sich das Blut vor, das durch ihre Kehle strömen würde.
»Such seinen Puls«, wies Stephan sie an. Sie strich über den starken Hals des Mannes. Ja, dort war der Pulsschlag, er klopfte unter ihrem Daumen. Ihr Knurren überraschte sie. »Ein sanfter Biss nur, kein Reißen, und dann saugst du. Dein Speichel wird verhindern, dass das Blut gerinnt.«
Sie schaute auf, als Asharti einen anderen jungen Mann dazu brachte, sich neben den ihren zu knien. Eine Flut goldblonder Haare, schläfrige blaue Augen – mehr sah sie nicht mehr. Sie hatte keine Aufmerksamkeit für Asharti übrig. Beatrix setzte ihre Fangzähne auf den pochenden Puls und biss zu. Die Zähne durchbohrten die salzig schmeckende Haut ohne jeden Widerstand. Blut wallte auf. Zu saugen war ganz natürlich. Sie saugte im Rhythmus des Herzschlags, und die dicke Flüssigkeit floss ihre Kehle hinunter. Sie saugte und saugte. Ihr Gefährte sang ein vertrautes Lied in seiner Ekstase der Erfüllung. Beatrix teilte diese Ekstase als ihre Belohnung, dass sie ihn mit Blut versorgte. Er sang in ihren Adern, und sie war ganz, voller Kraft und ganz.
»Genug«, sagte Stephan über ihr. Er rüttelte sie an den Schultern. »Genug, Bea.«
Sie hob den Kopf und leckte sich über die Lippen, blinzelte ihn an. »Gut.« Er lächelte. »Du darfst nicht so viel trinken, dass es ihn tötet. Jetzt knöpf sein Hemd zu.«
Beatrix griff nach dem Kragen des Mannes. Stephan ging zu Asharti, die am Hals ihres eigenen Auserwählten saugte. Stephan beobachtete sie einen Moment lang, dann rief er: »Genug«, und legte die Hand auf ihre Schulter.
Asharti stieß die Hand zur Seite und saugte weiter. Stephan schüttelte sie, aber Asharti hörte nicht auf. Schließlich packte er sie mit einer Hand am Nacken, zwang mit der anderen ihren Mund auf und löste ihre Fangzähne von der Kehle ihres Opfers. Er zog sie zu sich hoch und sah ihr in die Augen. »Genug«, sagte er streng.
Beatrix führte ihren jungen Mann an Asharti und Stephan vorbei. Wie hatte Asharti Stephans Befehl ignorieren können? Asharti hob den Blick. Beatrix war erschrocken, als sie offene Rebellion darin sah.
Stephan stellte Asharti unsanft auf die Füße. »Es ging darum, nur ein wenig zu trinken, Asharti.«
»Ich mag den letzten Tropfen«, sagte sie schmollend. Dann hob sie den Blick zu Stephan. »Gefällt es dir nicht, das Leben in dich strömen zu fühlen? Hast du jemals den letzten Tropfen gekostet?«
»Das habe ich.« Stephan schluckte. »Aber auf diese Weise überleben wir nicht. Hörst du mir denn nicht zu?«
»Ich höre zu.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Gut.« Stephans Stimme klang jetzt härter. Heiseres Singen scholl von der Straße herüber. »Lasst uns für heute Nacht nach Hause zurückkehren. Wir werden es ein anderes Mal erneut versuchen.«
Er bedeckte die beiden Mädchen mit seinem Umhang, und gerade als drei Männer auf den Hof kamen und brüllten: »He, was ist hier los?«, wirbelte Dunkelheit um sie auf, und sie waren verschwunden.
Später in jener Nacht schlüpfte Beatrix in Ashartis Zimmer. Ihr Bedürfnis nach Antworten trieb sie hierher. Asharti saß auf dem Bett und starrte ins Kaminfeuer. Als die Tür aufging, schaute sie auf. Welches Gefühl auch immer in ihren Augen gelegen hatte, es löste sich auf. Sie lächelte. »Bea, unsere Lehrzeit geht zu Ende.«
Beatrix nickte und setzte sich auf den türkischen Teppich vor dem verlöschenden Kaminfeuer. Im Zimmer war es kalt. »Wie kannst du es wagen, ihn herauszufordern?«, fragte sie nach einem Augenblick.
»Oh, das. Wie kannst du ihn nicht herausfordern? Es wäre für dich einfacher als für mich.«
»Er kümmert sich um uns. Alles, was er möchte, ist, dass wir den richtigen Weg beschreiten.«
»Männer wollen Macht
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