Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
hat sie nicht«, protestierte Beatrix. »Warum soll ihr Weg schwerer sein?«
»Weil sie ein Mensch ist und erst durch einen von uns zum Vampir wurde. Weil sie nicht blutgeboren ist.«
»Und mein Weg ist leicht?« Beatrix umklammerte ihr Weinglas so fest, dass sich ihre Fingerknöchel weiß färbten. »Ich wurde verlassen, allein gelassen, um mich selbst zu verteidigen und Kehlen aufzureißen für mein Blut, weil ich es nicht anders wusste.«
»Aber du wurdest ins Vampirdasein hineingeboren. Du weißt tief in dir, dass das, was du bist, das ist, was du sein sollst. Einige von unseresgleichen sagen, dass jeder Vampir, der dazu gemacht wird, dazu verdammt ist, wahnsinnig zu werden oder den Weg des Bösen einzuschlagen. Asharti weiß das.«
»Macht man deswegen niemanden zum Vampir, indem man sein Blut mit ihm teilt?«
»Ja. Das ist es, warum die Regeln festlegen, dass du sie töten musst, falls jemals, sei es durch Zufall, so etwas geschieht.«
»Das ist nicht fair – jemanden zu töten, wenn es doch nicht seine Schuld ist, dass er ist, was er ist.«
»Nein, es ist nicht fair. Deshalb habe ich Asharti beschützt, als Robert le Blois sie töten wollte.« Der, der sie zum Vampir gemacht hatte, hatte sie töten wollen? Wie schrecklich! »Wird Asharti
wahnsinnig werden?«
»Das ist Altweibergeschwätz.« Er starrte ins Feuer. »Aber ich denke, dass wir Asharti helfen müssen, die Verantwortung zu akzeptieren, die all das mit sich bringt. Und wir müssen begreifen, dass ihr Weg schwer ist.« Er sah Beatrix an. »Kannst du das, Bea?«
Beatrix holte tief Luft. »Ich will es versuchen, Stephan.« Was sie zu akzeptieren versuchte, war Stephans Milde gegenüber Asharti. Aber warum sollte er sie nicht auch bewundern? Beatrix tat es.
Er lächelte. Wie sehr sie es liebte, wenn er lächelte. »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.« Er hob sein Glas. »Willst du nicht mit mir trinken?«
Sie lächelte und senkte den Kopf, dann nippte sie an ihrem Wein. »Er ist sehr gut.«
»Wie war es, ganz allein den Gefährten zu nähren, meine Liebe?« Seine Stimme war so freundlich. Sie sah ihn verstohlen an. Der Feuerschein huschte über sein Gesicht. Sein dunkles Haar lockte sich voll und glänzend auf den breiten Schultern. Seine Zähne waren perfekt, wie bei jedem von ihresgleichen. Sein Lederwams ließ ihn männlicher aussehen denn je. »Es war gut, sich im Griff zu haben, nicht wahr?«
»Ja. Es fühlte sich … natürlich an. Und jetzt bebt mein Gefährte vor Leben in meinen Adern.«
»Es ist ein herrliches Gefühl. Wir haben Glück, dass wir sind, was wir sind.« Er hob sein Glas in den Feuerschein, und der Wein glühte blutrot auf. »Das Blut ist das Leben.«
»Blut ist Leben«, wiederholte Beatrix und trank. Sie fühlte ein überwältigendes Verlangen, ganz nah bei Stephan zu sein, also glitt sie von ihrem Stuhl und setzte sich auf das Bärenfell zu seinen Füßen. Sie legte die Wange an seinen Oberschenkel und fühlte ihr Blut in sich pochen, irgendwo tief in ihrem Schoß.
Stephan strich ihr übers Haar. Beatrix spürte, wie sich ihr Gefährte in ihr erhob. »Es gibt vieles, was ich dir zeigen möchte, Bea.« Seine Stimme klang heiser. »Wenn eine Frau in dieser Welt überleben will, muss sie die Fähigkeiten nutzen, die sie hat. Männer sind stark …«
»Ich bin stärker als jeder Mann«, protestierte sie. Aber ihre Aufmerksamkeit war auf seine Hand gerichtet, die sich unter ihr schweres Haar schob und ihren Nacken streichelte. Es ließ sie zittern.
»Ja, und diese Stärke wird dir helfen. Aber andere Dinge werden ebenso nützlich sein.«
»Welche Dinge?«, fragte sie. Die Hitze des Feuers schien sich in ihrem innersten Kern zu sammeln.
»Nennen wir sie die weiblichen Künste«, sagte Stephan. »Man kann nicht immer erzwingen, was man will. Der Andere kann den Zwang fühlen, wenn du zu forsch bist. Ein Mann kann andere Männer führen oder sie bezwingen, aber Frauen brauchen einen subtileren Weg, um zu siegen.«
»Wie meinst du das?« Sie ließ den Kopf gegen sein Bein sinken. Er streichelte ihre Kehle, und seine Berührung sprach von rotem Wein und Feuer.
»Ich werde es dir zeigen, wenn du mich lässt. Lässt du mich?« Er glitt vom Stuhl und setzte sich neben sie.
Mit einem leichten Prickeln von Furcht schaute sie auf. Gab es etwas, bei dem er um Erlaubnis fragen musste, um es sie lehren zu dürfen? »Ich glaube, du lehrst mich, was immer ich wissen muss.«
»Dann wisse, dass ich dir niemals wehtun
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