Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
jedem Moment noch verzehrender zu werden schien.
»Stephan«, wisperte sie. Er nahm es als Erlaubnis und beugte sich vor, um seine Lippen auf ihre zu pressen. Seine Arme glitten um ihren Nacken, und Beatrix drängte ihre Brüste gegen die harte Wand aus Muskeln, die sie unter seinem Hemd spüren konnte. Seine Zunge fand den Weg in ihren Mund, und dieses Mal war Beatrix nicht überrascht, sondern überwältigt von der Intimität dieser Berührung. Feuchtigkeit teilte sich mit, von Körper zu Körper. Er küsste sie leidenschaftlicher, und die Tiefe dieses Kusses versprach, dass er noch auf vielerlei Art in sie eintauchen würde.
Er hob sie aus der zerknüllten Wolle ihres Kleides und hielt sie fest an seinen Körper gedrückt. An ihrer Hüfte fühlte Beatrix eine Härte und wunderte sich einen Moment lang, ehe sie erkannte, was es war. Sie lächelte in seinen Mund und schlängelte ihre Zunge hinein, um seine Lippen und Zähne zu lecken. Sie tat das bei ihm. Er wollte sie. Sie strich mit den Händen über die geschmeidigen Muskeln seiner Schultern unter dem Hemd. Nein, das war nicht richtig. Sie wollte seine nackte Haut spüren und ihn ganz sehen. Sie schlüpfte aus ihrem Hemd und schob ihm seines über den Kopf. Sie atmete tief ein. Sie hatte viele Männer ohne Hemd gesehen. Riesige Kerle von Männern und Jungen dünn wie Weidenzweige. Aber keiner war wie Stephan gewesen. Die kleinen Bewegungen von Muskeln unter seiner Haut schienen dazu gedacht, sie zu verwirren. Aber sie würde sich nicht verwirren lassen. Seine Brust war leicht bedeckt von schwarzem, gelocktem Haar, durch das dunkle, weiche Brustwarzen lugten. Sein Bauch war fest, und ein V aus Haaren zeigte nach unten auf ein Nest aus Haaren, das einen sehr harten Schaft umrahmte. Sie hielt den Atem an.
»Ich bin es nur«, beruhigte er sie. Seine Augen schienen dahinzuschmelzen, und er berührte ihre Schulter, fast ehrfürchtig. »Du bist … wunderschön.« Er schüttelte den Kopf und lachte leise. »Ich höre mich an wie ein liebeskranker Jüngling.«
Da! Er hatte es gesagt. Sie wagte nicht zu lächeln oder noch einmal in seine Augen zu schauen, damit er sich nicht zurückzog oder es wegerklärte. Liebeskrank. Das war es, wie sie sich fühlte; schwindelig und krank vor Liebe. Sie ließ ihre Brustwarzen über die Haare auf seiner Brust streichen. Er stöhnte auf und zog sie an sich.
Beatrix saß zitternd vor ihrem kalt gewordenen Kamillentee. Das Bild dieser Nacht war so lebendig, als wäre es erst gestern geschehen. Stephan hatte ihr die Freuden der Liebe gezeigt.
Liebe? Nein, er hatte sie in den Sex eingeführt. Sie hatte nur geglaubt, es wäre Liebe. Und Sex mit einem Mann führte zu Ashartis Bösem. Wenn Sex im Spiel war, konnte man Beatrix nicht vertrauen, also hatte sie sich selbst seit sechshundert Jahren nicht vertraut. Es war ihr gleichgültig gewesen, sie hatte keinen Sex gehabt, sie war nicht verletzt worden. Sie schlug die Männer in ihren Bann, nahm sich ihr Blut und ließ sie wie Blendon zurück: nackt in der Nacht.
Bis Langley aufgetaucht war. Sie hatte gedacht, sie hätte Stephan hinter sich gelassen. Aber heute Nacht war er aufgetaucht, weil Langley ihr abgesagt hatte, um zusehen zu können, wie zwei Männer sich sinnlos verprügelten. Und das hatte sie getroffen. »Sinnlos« war das entscheidende Wort. Alles war sinnlos. Es gab keine zweite Unschuld. Sie hatte alles gesehen, und alles war wieder und wieder geschehen, und man konnte dem nicht entkommen.
Oder vielleicht war das Kloster Mirso die einzige Zuflucht. Stephan hatte das schon vor langer Zeit gesagt.
Ihr Weg führte nach unten. Nichts würde die Dunkelheit aufhalten, was auch immer sie ausgelöst hatte. Die einzigen Lichter in der Nacht waren die schimmernden Turmspitzen von Mirso. Sie würde den Schwur ablegen und ihre Tage mit Singen verbringen, sie würde den Schmerz der Welt für immer hinter sich lassen und Frieden erlangen.
Aber was, wenn Frieden nur ein anderes Wort für Betäubtsein war? War dumpfe Lähmung denn die einzige Wahl? Sie schloss die Augen und betete – zu wem, wusste sie nicht. Sie betete nicht um Erlösung, nur darum, den Erinnerungen zu entkommen, die sie ins Kloster zu treiben schienen.
Sie musste den morgigen Tag überstehen. Sie würde ein Haus für Symingtons Schwester kaufen. Übermorgen würde sie darüber nachdenken, was zu tun war.
»Das Loch« war eine feuchte Finsternis von nicht mehr als knapp zwei Meter im Quadrat, in dem knapp zwanzig
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