Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
ließen alle Hemmungen fahren, waren dem Rausch der Erfüllung verfallen, mit dem sich nichts anderes vergleichen ließ.
Sechshundert Jahre später, am Rande von Hounslow Heath, begann Beatrix einen steinübersäten Hügel hinaufzusteigen, als könnte sie vor dem davonlaufen, was sie vor so vielen Jahren geworden war. Die Bäume machten einer Lichtung Platz. Sie wandte das Gesicht dem Mond zu und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen großen Felsbrocken. Rau und kalt spürte sie ihn durch ihren Umhang. Zitternd sank sie zu Boden.
Sie hatte sich all dem entzogen. Blut war für sie nicht mehr mit Sex gepaart. Sie hatte sogar aufgehört, mit den Männern zu schlafen, mit denen sie ihren Gefährten nährte – für den Fall, dass Ashartis Dämonen in ihr lauerten. Ein Jahrhundert zu spät vielleicht, aber sie hatte den Willen aufgebracht, der Verlockung zu widerstehen, Leben auszusaugen. Doch jetzt kehrten all diese Erinnerungen zurück, um sie zu quälen. Warum? Was versuchten sie ihr zu sagen? Warum konnte sie sie nicht mehr einfach verdrängen? Sie musste einen Weg aus dieser Situation finden. Vielleicht musste sie all dies durchleben, ehe sie damit abschließen konnte. Sie zwang sich dazu, sich an das letzte Mal zu erinnern, dass sie Asharti gesehen hatte …
Krakau, Kleinpolen, 1221
Beatrix hob den Kopf vom Hals des jungen Knappen und löste sich von seinem erschlaffenden Glied. Ein Gefühl der Mattigkeit erfüllte sie. Sie schaute zu Ashartis englischem Ritter hinüber, der aus einem halben Dutzend Kratzern und Bisswunden blutete. Er war noch immer erregt. Asharti wollte sich seiner noch weiter bedienen. Seine Augen blickten verhangen, und er atmete schwer. Er würde nicht mehr lange durchhalten. Asharti lag zusammengerollt neben ihm auf dem türkischen Teppich. Jetzt schaute sie hoch. »Bist du befriedigt, Bea?«, fragte sie. »Hast du etwas dagegen, wenn ich mir beide nehme?«
Beatrix schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich auf eine Weise schlecht, die sie nicht begreifen konnte. »Er gehört dir.«
Sie sah zu, wie sie sich beide zu Willen machte. Asharti lag mit dem Rücken auf dem Teppich, und der Feuerschein zuckte über ihre goldfarbene, zarte Haut. Der Ritter wandte sich ihr zu. Der Squire kroch an ihre andere Seite. Beide beugten sich vor, um ihre Brustwarzen zu lecken. Asharti schnurrte wie eine Katze, die gestreichelt wurde, und wölbte den Rücken. Der Ritter, älter, erfahrener mit Frauen, war Ashartis Wahl, ihr das feuchte Geschlecht mit der Hand zu massieren. Beatrix sah zu, unfähig, den Blick abzuwenden, und dennoch auf eine Weise davon abgestoßen, die sie nicht erklären konnte. Was geschah mit ihr? Hatte sie nicht schon dasselbe getan? Sie mochte es, von zweien gleichzeitig befriedigt zu werden. Dieses Gefühl von leichtem Horror empfand sie nun schon seit einiger Zeit. Das immerhin wusste sie.
Asharti zog den jungen Knappen zu sich herunter, grub ihre Fangzähne in seinen Hals und saugte, während sie zugleich zum Höhepunkt kam.
Sie sackte in sich zusammen, und die Männer taten es ihr gleich. »Aaah, wie wundervoll«, wisperte sie nach einem Moment. Sie öffnete die Augen. »Was möchtest du, Bea? Mund? Schwanz? Oder etwas Exotischeres?«
Beatrix fühlte, wie ihr übel wurde. Asharti hatte in letzter Zeit einige seltsame Neigungen entwickelt. Es gefiel ihr, in den Anus ihres Opfers einzudringen, mit allem, was zur Hand war: Besenstiele, Peitschengriffe. Beatrix schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab.
»Warum nicht, Schwester?« Asharti stützte sich auf einen Ellbogen hoch. »Bist du krank?«
»Ich weiß es nicht«, stieß Beatrix hervor. Krank? Ja, sie war krank. Der Tod machte sie krank, die endlose Wiederholung von Ekstase und jener schrecklichen Niedergeschlagenheit, wenn sie vorbei war. Es war eine Tretmühle, in der sie zermahlen wurde, und wenn sie jetzt nicht davonkam, würde sie ihr niemals entfliehen können. Es hatte sich gezeigt, dass es Konsequenzen gab, die weitaus schlimmer waren als ein vom Himmel herabfahrender Blitz.
Asharti wartete. Wie Beatrix wusste, spürte Asharti, dass sie sich in letzter Zeit von ihr entfernte. Beatrix’ kleine Saat der Unabhängigkeit war eine Bedrohung für sie. Beatrix war sich nicht sicher, warum. Sie beide wussten, dass Asharti die Stärkere war. War sie stärker, weil sie öfter trank, oder lag es daran, dass sie die Kraft der Seelen in sich aufnahm, die in einem wispernden Atemzug über ihre Lippen glitten? Sicherlich tötete
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