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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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kümmern. Aber sie war zu stolz gewesen, sein Angebot anzunehmen, und zu schüchtern, um ehrlich zu sagen, wie sie sich fühlte. Sie schämte sich und hatte Angst, ihre Leute würden sie verstoßen, weil sie das Kind eines weißen Mannes trug. Er hatte ihr geraten, sich Victoria anzuvertrauen, doch anscheinend hatte sie es nicht fertig gebracht.
    »Nerida war unter meiner Obhut, seit ihre Mutter Cissie vor ein paar Jahren starb, und ich habe sie im Stich gelassen«, fuhr Victoria fort. Tränen traten ihr in die Augen, wenn sie daran dachte, wie lange Tadd das Mädchen wohl schon ... so traktiert hatte.
    »Nerida schämt sich, Missus, macht aber Missus keine Vorwürfe.«
    »Ich mache mir selbst Vorwürfe, Nugget. Wenn Tadd mich gefragt hätte, hätte ich auch nie zugelassen, dass er Sie entlässt – es tut mir sehr Leid!«
    »Sie immer gut zu mir, Missus, aber ich konnte nicht bleiben, nachdem ich Gespräch von Tadd mit Scherern belauscht hatte.«
    Victoria runzelte die Stirn. »Willst du damit sagen, die Scherer seien tatsächlich hier gewesen?«
    »Ja, Missus.«
    »Warum hast du es mir denn nicht gesagt?«
    Nugget verlagerte unbehaglich sein Gewicht auf das andere Bein, und Victoria und Tara begriffen, dass Tadd auch ihn bedroht hatte. Trotz allem, was Tadd bisher schon angerichtet hatte, schockierte es sie beide.
    »Tadd hat Scherer fortgeschickt, Missus. Hat ihnen gesagt, Missus Tara hätte bei den Zigeunern gelebt ...«
    Tara schloss die Augen, als die Demütigung sie wieder zu überwältigen drohte.
    »... und dass sie keine Arbeit mehr bekommen, wenn sie in Tambora scheren. Tadd nicht gut, Missus!«
    Victoria fühle sich wie eine Närrin, weil sie offensichtlich alsEinzige Tadd gegenüber blind gewesen war. »Nun, jetzt ist er fort, Nugget, und er wird nie wiederkommen. Ich habe Sie gebeten, heute Morgen zu kommen, weil ich einen neuen Farmverwalter brauche – und ich hatte gehofft, Sie wären vielleicht bereit, diesen Posten zu übernehmen.«
    Nugget starrte sie verblüfft an. »Aber ... viele weiße Farmverwalter suchen Arbeit, Missus.«
    »Ich weiß, Nugget. Aber warum soll ich einen von ihnen einstellen, wenn der beste Mann für diesen Posten längst hier ist? Ich mag Tadds Fehler nicht gesehen haben, aber ich habe sehr wohl gesehen, dass Sie und die anderen Männer hier die meiste Arbeit geleistet haben. Sie kennen die Farm und wissen, was ich erwarte, und Sie haben sich den Posten redlich verdient.«
    Nugget war sprachlos und stumm vor Rührung. Eines Tages Verwalter auf einer Farm wie Tambora zu sein, davon hatte er nie zu träumen gewagt. Er kannte in ganz Südaustralien keinen einzigen Aborigine, der es bis zum Farmverwalter gebracht hatte.
    Tara lächelte ihm strahlend zu. Sie hatte ihn ihrer Tante nicht direkt vorgeschlagen, war jedoch sehr froh, dass diese der gleichen Meinung war wie sie.
    »Sie nehmen doch an, nicht wahr, Nugget?«, sagte sie.
    Der Aborigine strahlte über das ganze Gesicht. »Ich wäre verrückt, wenn nicht, Missus.«
    Victoria war sehr froh darüber. »Dann ist es also abgemacht. Sie bekommen das Verwalterhaus und eine Lohnerhöhung, sobald wir die Wolle verkauft haben.«
    »Mir reicht es, mit den anderen im Arbeiterhaus zu bleiben, Missus.«
    »Eigentlich gehört das Cottage zu dem Posten, aber das musst du selbst entscheiden.«
    Tara wurde plötzlich ernst. »Wo du gerade von der Wolle sprichst – ich gehe besser hinüber zu den Hütten und helfe beim Scheren.«
    Nugget hatte sich schon umgewandt, um das Gleiche zu tun, als er noch einmal innehielt. »Danke, Missus«, sagte er. »Schön, wieder ... zu Hause zu sein.«
    Victoria nickte ihm lächelnd zu. Sie wusste, dass sie richtig gehandelt hatte. Nugget verdiente ihr Vertrauen. »Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, wenn wir bis morgen Nachmittag fertig sein wollen. Ich ziehe mich auch besser um und komme gleich nach zu den Schererhütten. Elsa kann sich für ein paar Stunden um unsere Gäste kümmern.«
    Tara fiel noch etwas ein. »Ach, Tante Victoria, über all dem Betrieb gestern Abend und heute Morgen habe ich vergessen, dir zu sagen, dass Ethan ein Telegramm für dich auf den Tisch im Esszimmer gelegt hat. Ich hoffe, es war nichts allzu Wichtiges!«
    »Ich schaue rasch nach und komme dann zu den Hütten hinüber.«
    Tadd Sweeney kam kurz nach neun Uhr morgens im Wombat-Creek-Hotel an. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und war unrasiert, seine Sachen waren so schmutzig und zerknittert, wie die Männer es

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