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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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konnte sich nicht vorstellen, auch nur einen Tag dort draußen zu verbringen. Der Gedanke, dass Tara und die Kinder in dieser großen Leere verschwinden könnten, brachte sie fast um den Verstand.
    Während sie noch an der Balkontür stand, erschien plötzlich Saladin auf einem Kamel in ihrem Blickfeld. Zuerst dachte sie, er sollte Moyna Conway und die Kinder nach Wombat Creek bringen, und geriet in Panik. Doch dann fiel ihr auf, dass er nur ein anderes Kamel bei sich hatte. Als sie vor dem Haus anhielten, brüllte und schnaubte das reiterlose Kamel, ein riesiges Tier mit wilden Augen, so aggressiv, dass auch Tara aufmerksam wurde. Sie hatte bereits angefangen, wahllos Kleidungsstücke in einen Koffer zu werfen.
    »Ist Ethan da?«, fragte sie und hielt in ihrer Tätigkeit inne.
    »Nein, es ist dieser Mann im Kaftan.«
    »Saladin?« Tara ging auf den Balkon hinaus und blickte hinunter. »Oh Gott, er ist hier, um die ... Kinder wegzubringen!« Sie bedeckte ihren Mund mit der Hand, und Tränen traten ihr in die Augen, als sie sich umwandte, um hineinzustürmen.
    »Das glaube ich nicht, Tara«, meinte Elsa ganz ruhig. »Sie werden sicher nicht alle auf ein Kamel passen, nicht wahr?«
    Tara blieb stehen. »Nein, das werden sie nicht!« Sie kam zurück und beobachtete, wie Moyna Conway erschien und ungeschickt den Rücken des brüllenden Ungeheuers erklomm. Neben einigen ermutigenden Worten versorgte Lottie sie auch noch mit einem breitkrempigen Hut. Sie stellte ihr Saladin vor, der sie jedoch kaum beachtete, als er ihren kleinen Koffer auf das Kamel band. Als fühle er Taras Anwesenheit, blickte der Afghane mit diesem kühlen, undeutbaren Blick, der ihm eigen war, zum Balkon hinauf – und dann geschah etwas Ungewöhnliches: Seine Lippen verzogen sich zu einem ganz leichten Lächeln, das den Ausdruck seiner dunklen Augen sanfter wirken ließ. Dann wandte er sich ab. Es war so schnell gegangen, dass Tara fast glaubte, es sich eingebildet zu haben.
    »Halten Sie sich besser fest«, sagte Lottie, als das riesige Tier sich schwankend erhob. Moyna stieß einen Schrei aus und wäre beinahe heruntergefallen. Der Hut flog davon, doch Lottie holte ihn wieder, und Moyna und Saladin ritten davon.
    »Sie geht, Mutter«, meinte Tara. »Ich kann es kaum glauben. Sie reitet tatsächlich fort ... ohne die Kinder. Weshalb sie wohl ihre Meinung geändert hat?«
    Moyna bot einen fürchterlichen Anblick. Ihr Hinterteil war breiter als das des Kamels, und ihre geschwollen Beine ragten nach beiden Seiten wie zu kurz geratene Riemen eines Ruderboots. Sogar aus einiger Entfernung konnten Tara und ihre Mutter noch hören, wie sie sich bitter beklagte.
    »Ich habe keine Ahnung, Tara«, erwiderte Elsa. »Komm, lass uns nach unten gehen und es herausfinden.«
    Als Tara und Elsa unten ankamen, stand Victoria an der offenen Haustür. Lottie hatte Moyna noch zugewunken und kam jetzt zurück.
    »Ich habe Moyna Conway fortreiten sehen«, sagte Tara zu ihrer Tante.
    »Und sie kommt nie wieder«, meinte Lottie, als sie das Haus betrat.
    Tara brach vor Erleichterung fast zusammen, und schon wieder kamen ihr die Tränen. »Aber warum hat sie ihre Meinung so schnell geändert? Sie war doch fest entschlossen, die Kinder mitzunehmen.« Sie sah ihre Tante an, doch diese ihrerseits blickte zu Lottie hinüber. »Wie hast du sie überzeugt, die Kinder hier zu lassen?«, fragte sie verblüfft.
    Lottie ging ins Wohnzimmer hinüber, und die anderen Frauen folgten ihr.
    »Hast du sie umgestimmt, Lottie?«, wollte Tara wissen.
    »Ich war es sicher nicht allein«, meinte Lottie, »aber ich bin so froh, dass sie fort ist!« Sie lachte. »Moyna wird mit Saladin einen Höllenritt haben – sie reitet auf Hurricane Horace bis nach Marree.«
    »Oh mein Gott! Ich habe ihn gar nicht erkannt!« Auch Victoria lachte herzlich.
    Tara sah Lottie und ihre Tante befremdet an.
    »Falls er sich nicht sehr geändert hat, was ich bezweifle«, erklärte Victoria, »ist er das gemeinste und unberechenbarste Geschöpf, das je die Bezeichnung ›Lastkamel‹ getragen hat. Gott steh Moyna bei!«
    »Ethan hat mir versichert, dass er sich inzwischen Menschen gegenüber besser benimmt«, sagte Lottie. »Aber wenn er Dingos sieht, wird er immer noch verrückt. Das ist eine lange Geschichte – er ist als Jungtier einmal von Dingos angegriffen worden. Wenn er auf diesem Ritt einen Dingo sieht, wird Moyna Conway etwas erleben, was sie nie mehr vergisst.«
    »Und wie stehen die Chancen, dass ihnen

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