Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
vielmehr für Sabine.« Ich nahm es an mich. Es fühlte sich warm an, vielleicht wegen des Feuers. »Kannst du ihr etwas entwenden, vielleicht ein T-Shirt oder so, das wir behalten und zerschneiden können?«
»Klar, kein Problem.«
»Gut«, sagte Mariette. »Steck es in eine Tüte, gib diese Mischung dazu und schüttle alles einmal gut. Dann lass es ruhen. Dante wird es mir dann morgen mitbringen.«
»Und was genau bewirkt das?«
»Es wird hoffentlich die Macht brechen, die diese Wesen über sie haben. Den Bann lange genug stören, um sie von ihnen wegzuholen und zurück ins Licht zu führen«, erklärte Mariette.
»Obwohl auch die Möglichkeit besteht, dass es gar nicht funktioniert«, gab Dante traurig zu bedenken.
Sie legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn zu trösten. »Falls dem so sein sollte, dann haben sie sie wahrscheinlich sowieso schon viel zu fest in ihren Klauen«, stellte sie klar. »An dir selbst zu zweifeln bringt gar nichts.« Jetzt wandte sie sich wieder an mich. »Ich freue mich schon darauf, diesen Gegenstand von dir entgegenzunehmen. Wir werden das Böse gemeinsam ausrotten.«
Zurück im Wohnheim ging ich noch einmal die Fotos durch. Noch war bei allen weiterhin dieser Glanz zu erkennen – nur bei Jimmy natürlich nicht, dessen Foto würde jetzt für immer so grotesk bleiben. Und dann war da noch Sabine. Auf ihrer Aufnahme wirkte sie matt und stumpf, ihre Augen nahmen langsam einen leeren Ausdruck an, ihre Haut war fahl, ledrig, und erste Verletzungen begannen sich darauf zu zeigen.
Ich kletterte hinunter und nahm den Schrank unter die Lupe. Eigentlich war es ganz egal, wofür ich mich entschied. Das Wichtigste war doch, dass es funktionierte. Ich durchwühlte Sabines Sachen, ging T-Shirts und Unterhemden durch. Dann aber hielt ich inne, als ich etwas viel Interessanteres entdeckte: ein Bild von ihr und zwei Erwachsenen, vermutlich ihren Eltern, außerdem einem Jungen. Einen Bruder hatte sie nie erwähnt, daher nahm ich an, dass es sich um ihren Freund handelte. Alle vier hatten sich schick gemacht und saßen in einem Restaurant um einen Tisch herum. Ihr Begleiter war attraktiv wie ein Filmstar, was mich nicht überraschte. Und je länger ich auf das Foto starrte, desto klarer wurde mir, dass er wie eine adrettere, weniger gefährliche Version von Wylie aussah. Er hätte wirklich Wylies kleiner Bruder sein können. Auf einem anderen Bild schlang derselbe Junge im Anzug den Arm um Sabine, die ein Abendkleid aus Satin trug. Er drückte ihr einen zauberhaften Kuss auf die Wange. Das war vermutlich beim Abschlussball oder beim Homecoming-Treffen, denn sie trugen beide ein Krönchen. Er sah Wylie so ähnlich, kein Wunder, dass sie so auf den angesprungen war. In der Hoffnung auf weitere Fotos durchsuchte ich die Schublade noch einmal, fand aber nichts mehr. Stattdessen griff ich jetzt nach einem schwarzen Trägershirt. Unter meinem Bett kramte ich eine Plastiktüte hervor, gab das Oberteil hinein und fügte dann Dantes Mischung hinzu. Nachdem ich den Beutel zugeknotet hatte, schüttelte ich ihn immer wieder.
In dem Moment klopfte jemand an die Tür, und ich zuckte zusammen, als hätte man mich auf frischer Tat ertappt. Ich schob die Tüte in meinen Rucksack und hoffte, der geheimnisvolle Zauber würde irgendwie seine Wirkung tun. Dann machte ich auf. Es war Emma.
»Sabine ist nicht da, oder?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. »Sie hat mir eine SMS geschrieben«, erklärte sie mit angsterfüllter Stimme. »Ich soll sie in St. Peter treffen, an einer Ecke in der Nähe von dieser Kneipe, in der wir diese Typen von der Krewe kennengelernt haben. Um zehn Uhr.«
»Du darfst da nicht hingehen!«, fuhr ich sie an.
»Ich weiß. Ich hab’s schon Connor erzählt. Haven, was ist nur los mit ihr? Was treibt sie bloß?«
Ich hatte keine Ahnung, war aber fest entschlossen, es herauszufinden.
24
Ich bin geflogen
U m zehn Uhr abends tobte auf der St. Peter Street das aufregende, trunkene Nachtleben. Auf halber Höhe des Blocks drängten sich die Menschen vor der Kneipe und warteten darauf, eingelassen zu werden. Connor hatte Lance abkommandiert, mit mir zusammen Wache zu stehen. Er schien gar nicht bemerkt zu haben, dass es zwischen uns im Moment nicht besonders gut lief. Wir wollten im Vorübergehen ein Auge auf die Menge haben und schlenderten langsam an der Bar vorbei, als seien wir zufällig hier gelandet und wollten jetzt entscheiden, wo wir einen sorgenfreien Abend im Quarter verbringen
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