Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
gewarnt, uns hier spät am Abend noch aufzuhalten. Nicht dass sie denkt, ich würde nicht auf sie hören.«
Susan lächelte sanft, als hätte sie da jemanden vor sich, der offensichtlich nicht ganz dicht war. »Das ist ja wirklich lieb von dir, dass du Schwester Catherine erwähnst. Die habe ich hier schon lange nicht mehr gesehen. Hoffentlich kommt sie mal vorbei, um uns zu besuchen. Ich weiß, dass sie wirklich sehr beeindruckt von eurer Arbeit hier wäre.«
Irgendwie fand ich das, was sie da sagte, merkwürdig. Das musste ich jetzt erst einmal klarstellen, bevor es weiterging. »Zu Besuch vorbeikommen?«
»Ja, ich muss wirklich zugeben, dass es hier nicht mehr so ist wie früher, seit sie in den Ninth Ward berufen wurde.« Jetzt sah sie besorgt aus. »Haven, Liebes, ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, klar, sicher. Aber sagen Sie schnell, wann wurde sie nochmal versetzt?«
Sie blickte zur Decke hoch und dachte nach. »Oh, mal sehen. Ich glaube, dein erster Tag hier war auch ihr letzter.«
»Aber sie schaut doch fast jeden Tag auf dem Friedhof vorbei … um zu sehen, wie es bei mir läuft …« Jetzt starrte Susan mich an, als hätte ich eine lebensgefährliche Kopfverletzung. »Ich meine, sie begleitet uns dort … im Geiste.« Darauf antwortete Susan mit einem ausladenden, übertriebenen Nicken, also hatte ich wohl das Richtige gesagt. Hastig verabschiedete ich mich.
Wieder spannte ich unter dem grauen Himmel den Schirm auf, und der Regen fiel in Strömen auf mich herab, als ich mich auf den Weg um die Kirche herum machte und die leere Basin Street überquerte. Die ganze Zeit ging ich dabei unsere Unterhaltung in Gedanken noch einmal durch. Das hatte ich mir doch nicht eingebildet – ich hatte Schwester Catherine regelmäßig gesehen, beinahe jedes Mal, wenn ich hier gewesen war. Aber Ninth Ward war ja nun wirklich nicht in der Nähe. Es war überhaupt nicht logisch, dass sie hier so oft vorbeischaute, wenn man sie dauerhaft dorthin versetzt hatte. Gedankenverloren betrat ich den Friedhof und holte den Schlüssel aus der Tasche, als ich durchs Tor trat. Sobald ich den Geräteschuppen erreicht hatte, waren all diese Gedanken jedoch plötzlich wie weggeblasen.
Wie ein in sich zusammengesunkenes Bündel lag eine durchweichte Sabine auf der Türschwelle. Ein Schrei entfuhr meiner Lunge, diesen Reflex konnte ich einfach nicht unterdrücken. Dann ließ ich den Regenschirm fallen und rannte zu ihr, ließ mich neben ihr zu Boden sinken. Sie trug das Kleid mit den Pailletten, das sie auf unserer gemeinsamen Shoppingtour gekauft hatte. Es war klatschnass und schlammverschmiert. In klammen Strähnen klebte ihr das Haar am Schädel. Ich fühlte ihren Puls und beugte mich vor, um zu überprüfen, ob sie noch atmete, aber das Prasseln des Regens auf dem Schuppen übertönte alle anderen Geräusche. Dann sah ich sie flach atmen, und ihr Puls war auch regelmäßig. Sie lebte.
Ich packte sie am Arm und schüttelte sie mit der anderen Hand. Schließlich wühlte ich in meiner Tasche herum und holte mein Handy heraus, um den Notruf zu wählen. »Sabine! Hey! Wach auf! Bitte!«, brüllte ich gleichzeitig weiter. Ich schüttelte sie und gab ihr sogar eine Ohrfeige, was mir zwar leidtat, sie aber nicht weckte. Ihre Glieder waren schwer und leblos, wie die schlaffen Arme einer Stoffpuppe. Und dann, genau in dem Augenblick, in dem sich am Telefon jemand meldete, bemerkte ich das Zeichen. Auf ihrer Schulter entdeckte ich etwas, das wie eine dick verkrustete bourbonische Lilie aussah. Ich legte auf und rief lieber Connor an.
»Warte da auf mich, ich bin gleich da«, versprach Connor. »Und verständige niemanden sonst.« Diese Anweisung akzeptierte ich. Vielleicht hätte ich zuhause widersprochen, wo ich wusste, dass ich Sabine in Joans Krankenhaus bringen konnte, in dem ich mit Ärzten zusammengearbeitet hatte, denen ich vertraute, aber hier konnte ich nichts und niemandem trauen. Am liebsten hätte ich Sabine in die Hütte gezogen – keine Ahnung, wie lange sie schon hier draußen lag –, aber ich hatte Angst, sie zu bewegen, falls sie innere Verletzungen haben sollte. Ihre Haut, die ich mir eigentlich feucht und klamm vorgestellt hatte, fühlte sich erstaunlich warm an. Ich wünschte mir einfach nur ein Zeichen, irgendeinen Hinweis darauf, dass sie irgendwo da drin steckte und wieder zurück an die Oberfläche kehren, wieder zu Bewusstsein kommen würde.
Plötzlich begannen ihre Lider zu flattern, ihre langen, mit
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