Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
Zeigefinger an. Mir gefror das Blut in den Adern. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Lance schockiert zurückzuckte. Die Zigarette leuchtete rot, und Wylie hob sie an die Lippen, blies den Rauch dann kreisförmig in die Luft und schob den Glimmstängel schließlich Clio in den Mund.
Sie nahm einen Zug, deutete auf die Brünette und fuhr sie wieder an. Die junge Frau zog das Handy aus ihrer Tasche und begann wütend, eine Nachricht zu tippen. Clio sah auf die Uhr und stürmte dann in die Richtung davon, aus der sie gekommen war. Ein oder zwei Sekunden später folgte ihr das Trio langsam. Wir beobachteten, wie sie auf die Kneipe zugingen, und ließen sie nicht aus den Augen, bis sie im Lokal verschwunden waren.
»Sollten wir versuchen, auch da reinzukommen? Vielleicht ist Sabine schon drin.«
»Ich wette, sie ist längst zuhause. Lass uns hier verschwinden«, flüsterte Lance wesentlich optimistischer und war schon auf dem Weg nach draußen.
Ich warf einen Blick über die Schulter und bemerkte, dass der Ladenbesitzer uns beobachtete. Ich schaute mir die Auslage direkt vor mir an und griff nach dem Erstbesten, dann glänzte mir aber etwas ganz Besonderes entgegen. Es hatte sich weit hinten versteckt, und ich musste erst ein paar Armbänder entwirren, um es da rauszuholen, aber dann hatte ich sie endlich in der Hand: vier Lederstreifen, verbunden durch einen klobigen Verschluss aus Silber, der etwa so groß war wie eine kleine Hundemarke. Darauf prangte die bourbonische Lilie im Relief. Das musste ich einfach kaufen.
Ich verfiel in einen Laufschritt, um Lance einzuholen, und tippte ihm mit der Tüte auf die Schulter.
»Hier«, erklärte ich matt. »Das solltest du haben.« Er warf einen Blick hinein und holte das Schmuckstück heraus.
»Danke«, sagte er, und es kam von Herzen.
Ich wurde von einem gleichmäßigen, rhythmischen Klopfen geweckt, das ich nicht so recht einordnen konnte. Es hörte sich an, als poche jemand sanft gegen mein Fenster. Als ich die Augen aufschlug, war die Scheibe regennass. Irgendwie hatte ich völlig vergessen, wie sich Regen anhörte. Seit unserer Ankunft in New Orleans hatten wir vor allem sonnige Tage erlebt; dieser graue, wolkenverhangene Himmel passte gar nicht zu der Stadt. Jetzt fiel mir auch auf, dass Sabines Bett immer noch gemacht war. Vielleicht war sie wieder bei Lance.
Ich hatte seit dem unheimlichen Angriff beim Tor nicht mehr auf dem Friedhof gearbeitet und freute mich nicht besonders auf meinen Dienst dort. Deshalb schaute ich in Rivers Zimmer vorbei, um zu fragen, ob sie mich vielleicht begleiten würde. Ein verschlafener Tom machte wortlos die Tür auf, und River rief irgendwo aus dem Hintergrund: »Dieses Wetter ist echt ätzend. Vergiss es, ich nehm mir heute frei.« Warum kam es mir eigentlich nie in den Sinn, mir einfach mal einen Tag freizunehmen, fragte ich mich. Trotzdem eilte ich hinaus in den feuchten Morgen.
Der Regen wurde stärker, als ich die Rampart Street überquerte, er fiel jetzt in Strömen auf mich herab, und mein Schirm half da auch nicht mehr viel. Ich war so sehr damit beschäftigt, den Elementen zu trotzen, dass ich mich erst beim Abholen des Schlüssels im Büro fragte, worin bei so einem Wetter überhaupt meine Aufgabe bestand. Denn Gräber streichen konnte ich heute nun wirklich nicht.
»Ganz schön fies draußen, was?«, begrüßte mich Susan von ihrem Schreibtisch aus. »Ich habe da ein paar Projekte hier drinnen, bei denen du mir helfen könntest. In der Kirche müsste an manchen Stellen das Blattgold aufgefrischt werden. Geh doch schon mal deine Malsachen anziehen, dann kann ich deine Klamotten in den Trockner tun.«
»Ja, das wäre toll, danke.« Das hieß zwar, dass ich noch einmal raus zum Geräteschuppen musste, aber das war wohl besser, als den ganzen Tag die klebrigen Sachen am Leib zu tragen.
»Tut mir leid, dass ich dich da nochmal rauschicken muss.« Sie lächelte.
»Kein Problem, aber da fällt mir noch was ein – wenn der Friedhof früh geschlossen wird, dann sollte wirklich aufgepasst werden, dass niemand mehr auf dem Gelände ist. Beim letzten Mal hatte ich nämlich was vergessen, bin nochmal zurückgelaufen und stand dann vor verschlossenen Toren.«
»Das ist ja sehr merkwürdig, das werde ich auf jeden Fall erwähnen«, erwiderte sie und machte sich eine Notiz.
Da kam mir noch etwas in den Sinn. »Oh, na ja, aber erwähnen Sie das Schwester Catherine gegenüber besser nicht. Immerhin hat sie uns davor
Weitere Kostenlose Bücher