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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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Lucian dir wehgetan hat. Darüber würde ich mal nachdenken.« Dann verließ er das Zimmer.

29
    Du bist ja eine richtige Unruhestifterin
    B ilder zogen vor meinen Augen vorbei, als ich in diese Hölle hinabstieg: Blutverschmierte Leichen in dunklen Gassen blitzten vor mir auf. Ich blickte in die Gesichter von jungen Leuten, die geschlagen, angegriffen, niedergestochen wurden. Das war eine Show, die ich am liebsten abgestellt hätte, einer der Filme, bei denen ich gerne das Kino verlassen hätte. Aber es hörte einfach nicht auf. Die Bilder huschten durch mein Unterbewusstsein, und ich sagte mir: Wach auf, Haven, du kannst jetzt einfach aufwachen , und trotzdem erfüllte mich Grauen. Ich wünschte, ich hätte diese Szenen aus meinem Kopf herausreißen, sie von meinen Augen wischen können.
    Ich öffnete die Lider, aber Herz und Atem rasten weiter. Auf meiner Haut glitzerte der Schweiß, und das Haar klebte mir am Kopf. Auch der vertraute dunkle Raum oder das Wohnheim voller Mitengel bot mir keinen Trost – die Szenen waren noch immer da, wurden in Endlosschleife abgespielt. Und irgendwie wusste ich, dass es sich dabei nicht um einen Albtraum, sondern vielmehr um Erinnerungen handelte. Das waren Situationen, die ich miterlebt hatte, und nicht etwa Bilder, die eine zu lebhafte Fantasie und mitgenommene Nerven zusammengebraut hatten. Abgesehen von den Opfern sah ich alles nur vage und verschwommen: Eine undeutliche Meute stürzte sich wie Geier auf die Körper und nahm Dinge an sich, die sie bei sich trugen, Haarsträhnen oder, schlimmer noch, Finger oder aus den Höhlen gerissene Augen, grauenhafte Talismane. Das alles drang nun auf mich ein wie zuvor die aufregenden Bilder, an die ich mich erinnert hatte.
    Ich presste die Lider ganz fest aufeinander und versuchte, meinen Kopf mit irgendetwas anzufüllen, das diesem Entsetzen ein Ende machen würde, stattdessen vermischte mein Verstand die Erinnerungen mit anderen Szenen: ein Schnappschuss vom Friedhof, eine Prozession schattenhafter Gestalten, die sich vor jemandem aufreihten, dessen Gesicht ich nicht erkennen konnte. Sie verneigten sich vor ihm und boten ihm die Gegenstände und Gliedmaßen der Menschen dar, die man tot zurückgelassen hatte. Er stand direkt vor Lance’ neu erbauter Gruft und gab dort alles in einen schwarzen Beutel aus Samt, der etwa so groß war wie ein Kartoffelsack. Am Ende steckten darin so viele dieser Trophäen des Terrors, dass er sich dick und rund wölbte.
    Nun wurde laut an meine Tür gehämmert. Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass ich wohl geschrien hatte. Lance stürzte herein, die Fäuste in Angriffsposition erhoben, und hielt nach einem Eindringling Ausschau, entspannte sich aber, als er sah, dass ich allein war. Dann kletterte er die Leiter zur Nische hoch, wo ich völlig erstarrt lag und noch immer schrie. Lance griff nach meiner Hand, und nun spürte ich endlich, dass mein Kreischen verstummte. Ich war völlig außer Atem, mein Blick fuhr aber immer noch wild herum. Er sauste durch den Raum, und ich fühlte, dass meine Augen sich hastig abwandten, als ich zu Lance herübersah, der mir die Hand drückte.
    »Ich weiß«, sagte er schlicht.
    »Diese Mordserie, all die Toten …«
    »Ich weiß.«
    »Ich war da. Ich habe gesehen, wie es passiert ist. Und ich hab nichts dagegen unternommen.«
    »Ich weiß«, wiederholte er nur, und jedes Mal wurde seine Stimme ernster, erschien mir aber auch tröstlicher.
    »Aber bis jetzt habe ich mich doch nur daran erinnert, wie seltsam spannend und aufregend diese Nacht war.«
    Er nickte weise. »Du hast es jetzt überstanden«, erklärte er mitfühlend. »Aber ich muss dir leider sagen, dass die Visionen nicht aufhören. Mich quälen sie immer noch.«
    »Aber hab ich denn tatsächlich …« Ich konnte die völlige Panik in meinen Augen, das Zittern in meiner Stimme nicht unterdrücken.
    »Nein«, versetzte er mit Nachdruck. Er hatte meine Gedanken gelesen. »Nein, haben wir nicht. Das kann einfach nicht sein.« Jetzt klang er nicht mehr so überzeugt und fügte bedauernd hinzu: »Aber ich weiß es nicht. Und das hier hat mich auch nicht weitergebracht.« Er griff nach dem Handy auf meinem Nachttisch und warf einen Blick auf das Display. »Über den Abend, an dem ich markiert wurde, habe ich keine einzige SMS mit brauchbarer Information bekommen. Vielleicht ist es bei dir ja anders.« Er hielt mir das Telefon entgegen, und gemeinsam lasen wir die Nachricht:
    Inzwischen hast du vermutlich

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