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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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hin?
    Jetzt hörte ich Lance’ Schritte. »Sollen wir?«, fragte er mit angespannter Stimme.
    »Ja«, erwiderte ich, ohne auch nur darüber nachzudenken.
    Drückende Dunkelheit herrschte im Tunnel. Er führte so steil nach unten, dass wir beinahe das Gefühl hatten, einfach runterrutschen zu können. Ich hielt mich an der feuchten, unebenen Wand fest. Der Gang gabelte sich, und die Abzweigung, die wir nahmen, führte uns rasch zu einem Absatz, der von unten her rot beleuchtet wurde. Die steinernen Bodenplatten waren durch langgezogene Glasscheiben ersetzt worden, Fenster, die eine Aussicht auf Szenen in der Tiefe unter uns boten. Auf den ersten Blick sah es geradezu idyllisch aus: ein von Bäumen umstandener See, an dessen Ufern Menschen ruhten. Aber die Farben schienen nicht zu stimmen. Die Bäume waren ganz schwarz und grau, das Gras wirkte tot und modrig. Das Wasser des Sees glänzte rot. Wie zur Bestätigung sah ich zu Lance hinüber, wurde aber von etwas Furchtbarem abgelenkt. Ich stieß ein Keuchen aus, und er löste den Blick von der Szene dort unten. Dann bemerkte auch er, dass sich unsere Körper im Fensterglas spiegelten, und begriff sofort: Hier unten waren wir keine Schatten mehr, hier konnte man uns sehen.
    Wir rannten über das Glas, drangen tiefer in den Tunnel vor, bis die Fenster unter unseren Füßen wieder in Stein übergingen. Jetzt gabelte sich der Gang vor uns erneut, und wir erreichten einen weiteren Korridor mit Öffnungen in den Wänden, die blutrot leuchteten. Dabei handelte es sich ebenfalls um Fenster, und in einem davon sahen wir wieder den See. Auf einmal erschienen die vier Krewe-Mitglieder, denen wir bis hierher gefolgt waren, rissen sich die Kleider vom Leib, während sie auf das Wasser zuliefen, und sprangen dann unter viel Geplätscher hinein. Jetzt stieg jemand prächtig und rotglänzend aus dem Gewässer: Es war Clio.
    »Lass uns hier verschwinden«, bat Lance. Das musste er mir nicht zweimal sagen. Plötzlich wurde mir klar, dass ich schon seit Minuten kaum noch zu atmen wagte.
    »Das ist vielleicht eine blöde Frage, aber …«, begann ich, als wir den Weg zurückliefen, über den wir gekommen waren.
    »Nein, davon war nichts hier. Ich habe eine stinklangweilige Gruft mit vier Wänden gebaut, ohne Keller oder Fenster zur Unterwelt«, flüsterte Lance mit einem Zittern in der Stimme zurück.
    »Ich frag ja nur.«
    Wir bogen um eine Ecke. Ich hätte schwören können, dass wir aus dieser Richtung gekommen waren, doch jetzt fanden wir uns in einer neuen Kurve wieder, die zu einer anderen Abzweigung führte. Wir kamen an einem weiteren Fenster vorbei. Hinter diesem tauchten zwei Männer einen dritten in derselben zähen Flüssigkeit unter, bis er fast ertrank. Er strampelte mit Armen und Beinen und wurde gerade noch rechtzeitig hochgezogen, nur um dann wieder unter Wasser gedrückt zu werden. Ein ums andere Mal. In der Ferne jubelten Zuschauer auf einer Tribüne. Inzwischen war die Luft so heiß, dass mir der Schweiß den Rücken hinabrann. Langsam setzte bei mir Panik ein.
    »Hier sind wir aber nicht hergekommen«, flüsterte ich.
    »Das war aber der einzige mögliche Weg«, gab Lance zurück.
    Und dann erstarrten wir. Schritte näherten sich. Wir wichen vom Fenster zurück.
    »Sagt jetzt nichts«, befahl in scharfem Tonfall eine Stimme, die ich nur zu gut kannte. Lucian trat ins Licht. Er trug einen leeren schwarzen Sack. »Es liegt nicht an euch; das hier ist ein Labyrinth voll optischer Täuschungen, die Eindringlinge in die Falle locken. Kommt mit«, forderte er uns auf. Sein Blick war starr wie zwei matte Steine, Angst schwang in seiner Stimme mit. Er musste gar nichts weiter sagen – wenn man uns hier entdeckte, würde keiner von uns diese Gänge je wieder verlassen. Wir rannten hinter ihm her, an zwei weiteren Fenstern vorbei, hinter denen sich Grauenhaftes abspielte, und auch andere Szenen, die eigentlich etwas Vergnügliches darstellen sollten, mir aber ebenso das Blut in den Adern gefrieren ließen wie die Spielchen im Blutsee.
    Lucian führte uns durch dunkle Gänge, die wir niemals allein gefunden hätten, und schließlich erreichten wir eine steile Rampe. Wir hatten gerade begonnen, auf den Eingang der Gruft zuzulaufen, als plötzlich eine Frauenstimme erklang und uns erstarren ließ.
    »Luuuuuuuucian!«, rief sie. »Warum dauert das denn so lange? Wir warten doch auf die Bekanntgabe des heutigen Siegers!« Ich spürte, wie mir Lance schützend die Hand auf den

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