Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
breiten Lächeln streckte sie die Hand aus, als würde sie einen Welpen aussuchen. Und dann wurden ihre Schritte schneller. Sie schwebten auf eine junge Frau in den Zwanzigern zu, die ein schlichtes Outfit aus Jeans, einem Trägershirt und einem figurbetonten Blazer trug und mit ein paar Freundinnen unterwegs war. Sie sah so aus, als hätte man sie zu diesem Frauenabend überreden müssen, vermutlich hatte sie dem Drängen der wilderen Anführerin ihrer Gruppe nachgegeben, einer zerzausten Partymaus, die die Straße entlangstolzierte und die Songs mitsang, die aus der lautesten Bar des Blocks dröhnten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie sie diese vernünftige, nüchterne junge Frau ködern wollten.
Aber Wylie und seine Partnerin marschierten an der Zielperson vorbei und wechselten rasch einen Blick, und da sah ich es. Sie schienen alle Krewe-Mitglieder in einem Radius von zehn Metern herbeizurufen, und all diese Augen fixierten die Beute, packten sie und hielten sie dort fest. Als sie plötzlich stehen blieb und ihre Freundinnen weiterliefen, sah es zunächst nicht so aus, als wäre etwas nicht in Ordnung. Dann aber drehten die beiden Dämonen sich um, liefen zu ihr zurück und nahmen den Platz links und rechts von ihr ein. Wylie legte dem Opfer den Arm um die Schultern, und ich machte einen Satz, schob die Menschen vor mir beiseite, um eine Handvoll Pulver in ihre Richtung zu schleudern, genau in dem Moment, als Wylie der jungen Frau etwas in den Oberarm rammte. Es sah aus wie ein schwarzer Stachel, der wohl mit Gift getränkt war. Er stach schnell und hart zu, zog die Spitze dann wieder heraus und schob das Beweisstück rasch zurück in seine Tasche. Für einen kurzen Moment verlor die Zielperson das Gleichgewicht, so wie es von beschwipsten Kneipengängern zu erwarten war. Aber die beiden an ihrer Seite hielten sie fest und zogen sie mit sich.
Ich hatte wieder versagt, dabei hatte die Nacht doch gerade erst angefangen. Einen Moment lang blieb ich wie erstarrt stehen, während sich um mich herum Menschen drängten, die einen, die unterwegs waren, um Spaß zu haben, die anderen, die sich einen Spaß daraus machten, sie zu vernichten. So konnte es nicht weitergehen! Jetzt näherte sich Lance und zog mich zur Seite. Es war so laut, die Musik, all die Leute, überall erklangen Unterhaltungen. Lance sagte: »Brody sieht hungrig aus.« Ich ließ den Blick durch das Gedränge wandern, und dann sah ich ihn, die neue Version von ihm, die gerade aus einer Kneipe kam. Hoch aufgerichtet stand er da, er schien den neuen Körper wie ein Wappen zu tragen. Ich war mir sicher, dass er schneller rennen konnte als jeder andere hier. An seiner Seite bemerkte ich den verwandelten Jimmy.
Sie sprachen kein Wort und begannen einfach nur, einer kleinen Blonden zu folgen, die etwa in meinem Alter sein musste. Während sie aus einem Restaurant trat, winkte sie zum Abschied jemandem; sie trug immer noch eine Art Arbeitsuniform aus weißem T-Shirt und schwarzer Hose. Die Haare hatte sie zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Wir waren hier nicht auf der Bourbon Street, aber es war immer noch unglaublich voll, so dass sie die schneller werdenden Schritte hinter sich wohl nicht bemerkte. Und ihr war mit Sicherheit auch nicht aufgefallen, dass sie von der anderen Straßenseite aus von zwei weiteren Krewe-Mitgliedern träge durch die Schaufenster beobachtet wurde, während sie auf einer Höhe mit ihr blieben. Sie zog das Handy hervor und begann, locker und lebhaft mit jemandem zu plaudern. Ich rannte los und scherte mich jetzt nicht mehr darum, ob irgendjemand meine Schritte oder mein Keuchen hörte. Als ich näher kam, ging sie gerade unter einer Straßenlaterne durch. Ich schoss so schnell wie möglich vor und schleuderte eine Handvoll Staub in ihre Richtung, und zwar genau in dem Moment, als Jimmy und Brody über mich stolperten und sich auf ihr Opfer warfen.
Wie eine entfesselte Bestie wirbelte das Mädchen jetzt herum, starrte den beiden in die Augen und fauchte: »Rührt mich nicht an«, während sie sich rückwärts entfernte. Die Worte entfuhren ihrem Mund als Schrei, der durch Mark und Bein ging. »Verschwindet!« Sie rannte los und trat dabei so heftig auf, dass ihre Schritte auf dem Pflaster wie Schüsse klangen. Man hörte, wie auf der anderen Straßenseite jemand mit dem Notruf sprach: »Ich bin mir nicht sicher, aber es klang so, als würde da jemand angegriffen …«
»Ist schon okay, das war ja auch der erste Versuch.
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