Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
diesem veganen Laden getroffen, in dem ich ziemlich oft bin, und er hat mir geraten, doch diese Tasche zu nehmen. Wahrscheinlich hat er auch so eine.«
Sabine und ich sahen uns an. »Dieser Kerl kommt ja ganz schön rum«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«, fragte Drew verwirrt, wir hatten aber nicht die Gelegenheit, ihr das zu erklären.
Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter, nur ganz leicht, als würde ein Vogel darauf landen, aber ich zuckte trotzdem zusammen. Als ich herumfuhr, stand eine kleine Frau in einer Ordenstracht vor mir, die sie bis auf ihr milchig weißes, mondrundes Gesicht komplett verhüllte. Nun legte sie die Hände zusammen und lächelte uns mit runzligen Lippen an. Sie musste über siebzig sein, mindestens.
»Hallo, Mädchen. Ihr seid doch sicher vom Schülerprogramm, oder?«, begrüßte sie uns mit sanfter Stimme, die vom Alter kratzig geworden war, ein wenig wie alte Schallplatten. Außerdem war sie durchsetzt von den gedehnten Vokalen ihres Akzents. Rund um ihren Hals hing die Haut faltig herunter, sie hatte Tränensäcke und einen schlaffen Mund. Die Jahre hatten ihrem zarten Gesicht eine gewisse Wärme hinzugefügt, so dass es nun nichts als Freundlichkeit ausstrahlte. Jetzt zog sie eine von Venen durchzogene Hand unter dem Habit hervor und streckte sie mir zum Gruß entgegen.
»Schwester Catherine, hi, es ist schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Haven.« Ihr Händedruck war so sanft wie ihr restliches Wesen. Auch die anderen beiden schüttelten ihr die Hand und flüsterten ein Hallo.
»Ich freue mich wirklich, euch hierzuhaben, meine Lieben. Wir sind für eure Hilfe sehr dankbar. Habt ihr Saint Louis Number One schon besichtigt?«
»Nein, Schwester«, erklärte Sabine mit ernster Miene.
»Der Friedhof feiert nächstes Jahr sein zweihundertfünfundzwanzigjähriges Bestehen, deshalb möchten wir ihn ein wenig auf Vordermann bringen. Er ist wirklich schön, das Wirken eurer geschickten Hände und gütigen Herzen werden seine Schönheit jedoch noch mehren.«
»Danke, wir freuen uns schon darauf«, sagte ich, und Drew lächelte. Sie war viel größer als wir alle und stand jetzt ein wenig geduckt da, was sie nur noch schüchterner aussehen ließ.
Schwester Catherine führte uns wieder hinaus in den warmen Sonnenschein. So gebeugt, wie sie ging, befand sie sich auf Augenhöhe mit mir. Ich fragte mich, wie groß sie wohl mal gewesen war und ob ihr unter all den Lagen der Ordenstracht und der Haube nicht furchtbar warm war.
»Ihr werdet die meiste Zeit in unserer Stadt der Toten verbringen«, begann sie. Diese Worte ließen mir für einen Moment das Blut gefrieren. Nun fuhr sie fort: »Aber auch in unserer kleinen Kirche gibt es so viele Wunder zu entdecken. Ihr könnt euch dort gern umsehen, so viel ihr wollt. In unserem Garten findet ihr eine zauberhafte Grotte.« Sie deutete auf einen Bereich hinter der Kirche, der von den wachsamen Augen einer lebensgroßen Statue geschützt wurde. Wohl ein Heiliger oder Apostel, den ich vermutlich kennen sollte. »Ihr könnt darin ruhig eine Kerze anzünden oder eine Nachricht hinterlassen. Ich kann euch versichern, dass viele dieser Gebete erhört werden.«
»Gut zu wissen, vielen Dank«, sagte ich irgendwann, nur um die Stille auszufüllen, da die anderen beiden mit keinem Wort reagierten. Diese spezielle Art von spirituellem Smalltalk war nicht gerade mein Ding, aber ich gab mein Bestes. »Und die heilige Katharina, das ist die Schutzheilige der …« Ich hatte gehofft, die Nonne würde den Satz beenden, weil ich nun wirklich keine Ahnung hatte. Wir erreichten die Basin Street, an der sich eine weiß getünchte Wand wie ein Bollwerk auf der Länge eines ganzen Blocks erstreckte. Die Sonne wurde darauf blendend grell reflektiert.
»Sie wehrt Feuer ab«, erklärte Drew mit erstaunlicher Entschiedenheit.
»Aber ja, sehr gut, St. Catherine wehrt Feuer, Krankheiten und Verlockungen ab.«
Mein Blick schoss zu Sabine hinüber, um deren Lippen ein Lächeln spielte. Wäre ich Gedankenleserin gewesen, hätte ich hinter ihrer Stirn vermutlich so etwas wie »Warum sollte man Verlockungen denn abwehren?« gelesen. Ich schüttelte nur den Kopf.
»Unsere Kirche wurde im späten siebzehnten Jahrhundert während der großen Gelbfieberepidemie gegründet.«
Wir folgten Schwester Catherine, die mit langsamen, aber bestimmten Schritten die Straße überquerte. Sie bewegte sich mit der Sicherheit eines Menschen, der genau weiß, dass seine Erscheinung
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