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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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wortwörtlich den Verkehr zum Erliegen bringen kann: Niemand will schließlich eine Nonne überfahren. Endlich erreichten wir das offene Eingangstor des Friedhofs. Dahinter hörten wir Stimmen, Schritte und das allgemeine Rascheln von Bewegung und Aktivität.
    »Wenn ihr jungen Leute hier seid, kommt es mir wieder vor wie Allerseelen, und ich habe immer gedacht, wie schön es doch wäre, wenn wir jeden Tag Allerseelen hätten.« Schwester Catherine blieb stehen und sah uns mit durchdringenden, mattblauen Augen an.
    »Allerseelen?«, fragte Sabine.
    »Da kommen die Leute, um die Gräber in Ordnung zu bringen, richtig?«, warf ich ein. Ich hatte etwas darüber in meinem Reiseführer gelesen.
    »Sehr gut«, lobte Schwester Catherine, als wir das Gelände betraten. Wir folgten ihr einen schmalen Pfad entlang, der mit Gruften in allen möglichen Größen gesäumt war. Bei einigen handelte es sich nur um sarggroße Rechtecke aus Ziegelstein, die kaum einen Meter hoch waren, andere waren groß wie ein Gartenhäuschen und glänzten weiß. Viele waren von Zäunen mit spitzen Gitterstäben umgeben, von denen die schwarze Farbe abblätterte. Schmale Pfade und breite Wege kreuzten sich im Kies und Schmutz, so dass der Friedhof über sein eigenes kleines Raster verfügte.
    Ein paar Minuten lang marschierten wir schweigend und befangen voran. Einmal mussten wir beiseitetreten, um eine Gruppe von fast zwei Dutzend Touristen vorbeizulassen. »Dabei handelt es sich ganz klar um das berühmteste und berüchtigtste Grab von Saint Louis Number One, hier entlang bitte …«, sagte der Reiseführer zu seinen Schäfchen, die sich mit Hüten und dunklen Brillen vor der Sonne schützten.
    Endlich fuhr Schwester Catherine fort: »An Allerseelen – und übrigens auch an Allerheiligen – kommen Angehörige, um den Verstorbenen ihre Aufwartung zu machen und die Gräber in Ordnung zu bringen.« Sie blieb vor einer ziemlich heruntergekommenen Gruft stehen, bei der stellenweise ausgeblichene Ziegelsteine durch den trüben Zement durchschienen. »Natürlich ist es schön, an diesen zwei Tagen Hilfe zu haben, aber es bleiben so viele Gräber, die niemand pflegt. Ehrlich gesagt geht es unserer Stadt der Toten nicht so gut. Ich bin hier schon seit vielen Jahren für alles verantwortlich, aber ich bin alt und kann mich nicht persönlich um die Instandsetzung kümmern. Mit Hilfe von Freiwilligen wie euch hoffen wir deshalb, den hier Begrabenen wieder zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Ihr fangt hier an und arbeitet dann eine Liste von Gräbern ab, auf die ihr euer besonderes Augenmerk richten sollt. Ich hoffe, dass ich irgendwann auch einen Bauunternehmer hinzuziehen kann, damit er sich um die Gruften in besonders schlechtem Zustand kümmert.«
    »Toll«, sagte ich und nahm unser erstes Objekt unter die Lupe. Auf der Marmortafel vorne war BARTHELEMY LAFON eingemeißelt, und eine Plakette informierte darüber, dass er Architekt gewesen war. Das musste ich unbedingt Lance erzählen. Ich fragte mich, wie es ihm wohl jetzt in dem unheimlichen Haus erging. Irgendwie war es komisch, nicht mit ihm zusammenzuarbeiten. »Ich freue mich schon darauf loszulegen«, fügte ich hinzu.
    »Cool«, befand auch Sabine.
    »Vorne im Schuppen habe ich Material für euch.« Schwester Catherine begann, den Weg zurückzugehen, den wir gekommen waren. »Ihr könnt euch dort auch umziehen, wir haben da ein paar T-Shirts und Malerhosen.« Ich war froh, dass ich mir meine einzige Khakihose und eine von meinen schickeren Blusen nicht mit Farbe besudeln musste. Jetzt blieb die Nonne plötzlich stehen und sah mich an, als eine weitere Reisegruppe vorbeizog. »Eins noch, ich hoffe, es macht euch nichts aus«, warf Schwester Catherine nun ein. Sie berührte mich am Arm und winkte uns dann mit dem Finger ein Stück zurück. Schließlich bogen wir auf einen engen Pfad ab. »Auf diesem Friedhof sind so einige Berühmtheiten aus der Stadt begraben, daher die Besuchergruppe«, erklärte sie mit leiser, voller Knisterstimme. »Wie ihr aber vielleicht wisst, kommen eigentlich alle nur wegen eines einzigen Grabes. Dem von Marie Laveau.«
    Wir blieben vor einem hohen, schmalen Grabmal stehen, das uns weit überragte. Seine Oberfläche war über und über mit Dankesworten oder noch häufiger mit dem Buchstaben X bekritzelt worden. So viele Besucher hatten hier ihr XXX hinterlassen, Dreiergruppen des Buchstabens, die über die komplette Gruft verteilt worden waren, mit bunten Stiften, Farbe oder

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