Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
die weißen Malerhosen aus Baumwolle – in denen Sabine und ich völlig versanken, da sie offenbar für jemanden gemacht waren, der ungefähr doppelt so groß war wie wir, und in ebenso riesige T-Shirts mit einem Bild der Kirche vorne und dem Schriftzug »Personal« auf dem Rücken. Sabine zupfte am überflüssigen Material ihres T-Shirts und versuchte, es irgendwie zusammenzuknoten. Sie knurrte finster vor sich hin, als es ihr nicht gelang.
»Echt ein scharfes Outfit, was?«, witzelte ich, und jetzt lachte sie über sich selbst.
Mit den Farbeimern und -rollen, Pinseln und Zeitungen machten wir uns schließlich auf den Weg zu drei Gräbern von unserer Hitliste. Meiner Meinung nach hatte die Sonne nun wirklich kein Recht, im Januar so gnadenlos auf uns herabzubrennen, wie sie es inzwischen tat. Ich breitete eine Schicht Zeitungspapier rund um Lafons Ruhestätte aus und begann dann, die kleisterdicke Farbe auf der Grabwand zu verteilen. Der durstige Zement saugte sie sofort auf. Während ich Schicht um Schicht auftrug, versuchte ich vor allem, mich nicht zu sehr in Gedanken zu verlieren, die ich in diesem Moment lieber nicht ergründen wollte.
Am frühen Nachmittag gab ich der Grabstätte den letzten Schliff, und nun erstrahlte Lafon in neuem Glanz. Meine Mitstreiterinnen hatten mich irgendwann mit einer Hand voll Kleingeld losgeschickt, um etwas zu essen aufzutreiben. Bei dieser Expedition hatte ich festgestellt, dass das geheimnisvolle Muffuletta, das auf Schildern in der ganzen Stadt angekündigt wurde, nicht etwa irgendein kleines Tier war, sondern nur ein Sandwich mit ausgefallenem Namen.
Als wir das Material zusammensuchten, schüttete sich Drew, die mit ihren langen, schlanken Gliedern doch so anmutig wirkte, dabei aber erstaunlich ungeschickt war, einen Eimer Farbe über die Turnschuhe.
»Na ja, Weiß passt wenigstens zu allem«, versuchte Sabine sie zu trösten.
»Es könnte wirklich schlimmer sein«, meinte auch ich, da Drew ziemlich geknickt aussah.
Deshalb schlug ich ihr und Sabine vor, schon zum Haus zurückzugehen. So hatten sie mehr Zeit, und Drew konnte sich vor der Nachhilfestunde umziehen, während ich alles wegräumte und den Schuppen abschloss. Als ich die Schlüssel im Hauptbüro der Kirche vorbeibrachte, dröhnte in der Ferne eine Orgel. Eine freundliche Mitarbeiterin namens Susan, die eine Brille trug und etwa Mitte fünfzig war, wies mich an, den Schlüsselring einfach in ein pokalförmiges Gefäß zu legen, das ich etwas gruselig fand, weil es an die Urnen der Toten erinnerte. Auf dem Weg nach draußen bekam ich eine SMS von Dante auf meinem alten Handy: Max und er wollten gerne mit mir zusammen nach Hause gehen, waren aber spät dran und fragten an, ob ich ein paar Minuten auf sie warten konnte.
Um die Zeit totzuschlagen, schlenderte ich über das Gelände rund um die Kirche, bis ich den Garten mit der imposanten Statue und einer kleinen Bank erreichte. Aber dann sprang mir etwas anderes ins Auge, und ich ging direkt darauf zu. Vor mir flackerten Lichter in einem dunklen Gang. Als ich näher trat, konnte ich sehen, dass es sich um eine Art Höhle handelte, eine schmale Öffnung im Fels. Das musste wohl die Grotte sein, die Schwester Catherine erwähnt hatte. Im Inneren war kaum eine Armlänge Platz, trotzdem hatte man dort Regale hineingequetscht, auf denen nun Hunderte von Kerzen brannten. Ihr Duft vermischte sich mit einem etwas muffigen Geruch, den ich jedoch als tröstlich empfand. Wie bei einer alten Decke, die ganz unten in einer Truhe liegt. An den rauen Wänden klebten handgeschriebene Zettel, und auf kleinen, gravierten Plaketten brachten Gläubige ihren Dank zum Ausdruck. Teilweise konnte man dort auch die Namen derjenigen lesen, deren Wünsche in Erfüllung gegangen waren. Ich überflog die Nachrichten und fragte mich, worum all diese Menschen wohl gebeten hatten. Draußen kam eine warme Brise auf und erzeugte am Eingang der Grotte ein säuselndes Geräusch. Ein rascher Windstoß fuhr ins Innere und ließ die Flammen erzittern, es erlosch jedoch nur eine einzige. Die Vorstellung, dass da vor meinen Augen ein Wunsch vereitelt worden war, passte mir gar nicht. Also holte ich die Kerze aus ihrer blutroten Glasschale auf dem Regal und hielt sie an den benachbarten Docht. Hell und kräftig loderte die Flamme auf.
»Du glaubst gar nicht, was in so einem Voodooladen alles los ist«, sprudelte es aus Dante heraus. »Da war gerade diese Gruppe, und die Leute sind total ausgeflippt.
Weitere Kostenlose Bücher