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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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Körper als auch meine Seele verletzt worden waren.
    Auf der Suche nach Ablenkung verschwand ich im Übungsraum. Dort gelang es mir aber leider nicht, die nachmittägliche Szene zu wiederholen, auch wenn ich nah dran war: Ich konnte alle Gegenstände zum Schweben bringen, schaffte es jedoch nicht, sie auf mich zufliegen zu lassen. Irgendwann hatte Dante mal den Kopf zur Tür hereingesteckt, aber ich hatte ihn weggeschickt und behauptet, dass ich mich konzentrieren müsste und wir später reden würden. Dabei war mir mein Fortschritt heute Abend eigentlich egal, ich brauchte einfach nur eine Beschäftigung. Und als ich fünf Minuten vor Mitternacht endlich Schluss machte, war es von hier aus auch viel einfacher, mich hinauszuschleichen, da dieser Raum näher an der Haustür lag als mein Zimmer. Obwohl die Fenster rund um den Innenhof hell erleuchtet waren, bemerkte keiner, dass ich mich davonmachte. Auf Zehenspitzen ging ich die Treppe hinunter.
    In der Royal Street hielt ich mich auf dem Weg zu dem imposanten Haus nebenan in den Schatten. Ich wusste natürlich, dass dieses Treffen eigentlich keine gute Idee war. Nach meinen Zusammenstößen mit Jimmy und Sabine sowie der Unterhaltung mit Lance, bei der so viel unausgesprochen geblieben war, schien mein Urteilsvermögen getrübt. Lucian hatte angedeutet, dass er mich wegen des Versprechens beim Wort nehmen wollte, das ich ihm vor so vielen Monaten gegeben hatte. Damals hatte ich ihm versichert, dass ich ihm helfen würde, falls er je der Unterwelt entkommen wollte. Aber wenn ich ganz ehrlich war, fühlte ich mich so einer Herausforderung gar nicht gewachsen. Ein Teil von mir wünschte sich, diese Prüfung nicht so früh oder vielleicht überhaupt nicht absolvieren zu müssen. Es kam mir jetzt schon so vor, als müsste ich bald zerbrechen, weil man von allen Seiten an mir zerrte und zog. Ich war mir einfach nicht sicher, ob ich jetzt stark genug war, dem allen auch noch Lucian und die Macht seines Fluches hinzuzufügen. Und dann gab es da ja auch noch all die berechtigten Fragen, die ich nicht völlig verdrängen konnte: Lockte er mich damit vielleicht in eine Falle? Hatte er gewusst, dass Jimmy heute auf mich losgehen würde? Und schlimmer noch, wer hatte ihn wohl geschickt? Würde ich ihm wohl je vertrauen können?
    Ich näherte mich der in Dunkelheit gehüllten Tür, blieb direkt davor stehen und legte so behutsam die Hand auf den Knauf, als könnte er mich beißen. Dann holte ich tief Luft. Obwohl ein Teil von mir nicht wieder in diese Welt mit all ihrem Grauen eintauchen wollte, hatte mein Puls zu rasen und mein Herz zu klopfen begonnen, als ich seine erste Nachricht auseinandergefaltet hatte. Ich hatte mich immer zu Lucian hingezogen gefühlt, aber es war stets ein Hin und Her gewesen, ein Funke hatte mich zu ihm getrieben, die Stimme der Vernunft hatte mich jedoch stets an die Gefahren erinnert, die er mit sich brachte.
    Ich öffnete die Tür einen Spalt, schob mich hinein und wurde von der völligen Dunkelheit im Inneren verschluckt. Hier vermischte sich eine gewisse Modrigkeit mit dem Geruch nach verkohltem Holz und Sägespänen, und ich bekam von der dicken Luft einen ganz trockenen Hals. Das Haus fühlte sich plötzlich ganz anders an, wirkte ganz anders als heute Nachmittag. Wahrscheinlich sah ich es jetzt einfach mit anderen Augen, mich hatte eine neue Art von Angst ergriffen, und das Adrenalin rann durch meine Adern. In dieser Stille war bei mir jeder Nerv angespannt.
    Und dann hörte ich ihn ganz leise irgendwo über mir: »Haven …«
    Dichte Wolken zogen über den Nachthimmel, als der Mondschein durch die vorderen Fenster hereinfiel und lichte Flecken auf den Boden des Foyers und die honigfarbenen Wände warf. Es brachte das helle Holz einer neu erbauten riesigen Treppe zum Erglühen, an deren oberen Ende Lucian stand.

19
    Darauf habe ich seit Monaten gewartet
    E r trug noch immer den verschlissenen Smoking, die Krawatte hing ihm lose und ohne Knoten um den Hals, und die oberen Knöpfe standen offen. »Haven«, sagte er sanft, und in seiner Stimme klang stille Erleichterung mit. Langsam, bedächtig stieg er nun die Stufen hinunter und sah mich dabei unverwandt an. Ich hatte das Gefühl, dass mich sein Blick festhielt. Seine Bewegungen waren so geschmeidig, trotzdem kam es mir vor, als dauerte es eine Ewigkeit, bis er endlich vor mir stand. »Du bist gekommen«, murmelte er, und es klang erstaunt. Das Mondlicht wurde schwächer. Ich hatte ganz

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