Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
einfach stärker zu sein als sie. Man wird euch alle ins Visier nehmen, so viel ist sicher. Habt ihr mich verstanden?« Er sah jedem von uns ins Gesicht, um diesen Punkt ganz deutlich zu machen. »Das gehört zu eurer Prüfung: Es muss euch gelingen, euch wieder vom verdorbenen Teil eurer Seele zu lösen.«
»Und wie macht man das?«, knurrte River wütend. Sie hielt noch immer Emma umklammert.
»Man kann diesen Teil aus dem Körper herauslösen, und deshalb erwarte ich von euch allen, dass ihr die Schwebeübungen macht.« Er deutete in Richtung des gepolsterten Raumes. »Eine von euch kann man dort jeden Abend antreffen, und im Moment ist sie die Einzige, die in so einer Situation eine Chance hätte. Darum solltet ihr alle euren Hintern in den Übungsraum bewegen und ordentlich trainieren.« Ich spürte, dass ich rot wurde. Stillschweigend hatte ich die Schwebeübungen als etwas in meinen Tagesablauf eingebaut, das eben erledigt werden musste, so wie das Zähneputzen. Und das hatte sich heute ausgezahlt.
»Emma hat mir erzählt, dass Jimmy neuerdings viel Zeit mit einer neuen Bekanntschaft verbracht hat.« Mir wurde bei diesem Satz ganz anders, als ich mir vorstellte, wie weh diese Worte Emma tun mussten. Das war ja so, als hätte sie ihn zweimal verloren: zunächst seinen Körper an dieses andere Mädchen und jetzt auch noch seine Seele. »Traut niemandem mehr über den Weg. Meldet mir alles, was euch seltsam vorkommt. Wir müssen unsere Informationen zusammentragen, nur so könnt ihr eure Gegner identifizieren und euch ihnen mit geballtem Kampfeswillen entgegenstellen. Wir haben da von einer Gruppe erfahren, die sich ›Krewe‹ nennt. Das sind die Leute, vor denen ihr euch in Acht nehmen müsst. Ich habe hier Beschreibungen von ihnen.« Er hängte mehrere computergeschriebene Blätter an die Wand hinter sich.
Ich hatte Connor meine sich wandelnden Porträts angeboten, er hatte letztlich aber beschlossen, sie nicht mit der Gruppe zu teilen. »Kann das unter uns bleiben, Haven?«, hatte er mich gefragt und mir zum ersten Mal seit meiner Ankunft das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. »Die hier«, hatte er gesagt und auf die Fotos geklopft, »helfen mir dabei, euch alle im Auge zu behalten.« Er hatte mich gebeten, sie noch einmal auszudrucken, so dass er einen Satz in seinem Zimmer aufbewahren konnte.
»Seid vorsichtig«, warnte er uns nun bei der Versammlung. »Geht immer nur zu zweit aus dem Haus und gebt aufeinander Acht. Falls irgendjemand nach Jimmy fragt, erzählt ihm, dass das Programm schließlich doch nichts für ihn war und er deshalb abgereist ist. Jimmy ist achtzehn, ich hätte ihn in so einem Fall sowieso nicht aufhalten können. Hier ist Diskretion gefragt, okay?« Damit klatschte er kurz und aufmunternd in die Hände. »Das ist erst einmal alles.« Mit diesen Worten entließ er uns, fügte aber noch mit ernstem, strengem Blick hinzu: »Sabine, kann ich dich kurz sprechen?« Ein sorgenvoller Ausdruck legte sich über ihr Gesicht, als sie zu ihm rüberging.
Lance schaute in meine Richtung, war aber offensichtlich zu nervös, um mir in die Augen zu sehen. Wir standen auf und schickten uns zum Gehen an, aber er packte mich am Ellbogen, als ich an ihm vorbeiwollte.
»Ich hätte da sein sollen«, versetzte er bedrückt. Er machte sich offenbar Vorwürfe. »Ich hätte es wissen müssen, als du mir nicht zurückgetextet hast.«
Ich schüttelte den Kopf. Mich zu retten war nun wirklich nicht nötig gewesen – das war hier nicht das Problem. »Es geht mir gut. Ich habe dich nicht gebraucht, mach dir darüber mal keine Sorgen«, beruhigte ich ihn. Ich war mit blauen Flecken und Schrammen übersät – ich hatte mir ein fingerlanges Stück Glas aus dem Oberarm gezogen und ihn selbst bandagiert – und mit meinen zerfetzten Klamotten sah ich aus wie etwas, das man auf der Straße aufgelesen hatte, aber ich war nicht wirklich schwer verletzt. »Ich meine, ich kann mir zwar einen schöneren Nachmittag vorstellen, aber noch bin ich am Leben, also ist alles in Ordnung.« Aber es war nicht zu überhören, wie eiskalt ich diese Worte vorbrachte. Wir näherten uns Lance’ Zimmer, und ich machte keine Anstalten stehen zu bleiben, also ging er mit mir weiter, bis wir vor meiner Tür standen.
»Ich hoffe, deinem Arm geht es wieder besser«, sagte ich kühl.
»Woher weißt du denn davon?«, flüsterte er.
Ich starrte ihn an. »Machst du Witze? Was meinst du denn, wer dich letzte Nacht verarztet
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