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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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begleiten würde, hatte sie bei ihrem Gespräch mit Birwain stillschweigend vorausgesetzt. Immerhin hatte der Schamane dem Engländer kein Ultimatum gestellt. Niemand konnte erwarten, dass John seine Rückkehr nach Sydney so schnell in die Wege leiten würde, dass er schon in den nächsten Tagen abreisen konnte.
    Sie warf John einen flüchtigen Blick zu. Seiner Gewohnheit treu bleibend, ritt er die ganze Zeit über neben Emma, obwohl sie heute beim besten Willen nicht als amüsante Gesellschaft bezeichnet werden konnte. John schien ihr das aber nicht übelzunehmen, denn von Zeit zu Zeit lächelte er ihr aufmunternd zu, ohne indes den Versuch zu machen, ein Gespräch in Gang zu bringen.
    Wahrscheinlich hoffte er, dass sie über seinen Antrag nachdachte.
    Doch dafür hatte sie jetzt keine Nerven. Sie wandte den Blick ab. Nein, erst einmal würde sie die Freuden des Stadtlebens genießen und dabei ihren angespannten Geist beruhigen.
    Folgenschwere Entscheidungen würde sie erst treffen, wenn der Nebel in ihrem Kopf sich ein wenig gelichtet hatte.
    Die Freuden des Stadtlebens, ging es Emma auf, als sie Warwick am Nachmittag erreichten, würde sie wohl woanders suchen müssen.
    Im Schritt ritt sie mit John durch das, was den Namen »Stadt« nicht verdiente. Nicht dass die Häuschen, die weit verstreut in einer Biegung des Condamine-Flusses lagen, unansehnlich gewesen wären. Die meisten von ihnen sahen proper und sauber aus, und Warwick machte einen weit weniger elenden Eindruck als Ipswich. Aber es gab weder Straßen noch Plätze, und falls irgendjemand sich mit der Planung dieses Ortes beschäftigt hatte, so sah man Warwick davon jedenfalls nichts an.
    »Die Stadt ist noch sehr jung«, sagte John, der ihren skeptischen Blick bemerkt hatte. »Vor fünfzehn Jahren gab es hier noch nichts als Wildnis, Süßgräser, Kängurus und ein paar Eingeborenen-Clans.«
    »Eingeborene? Hat man sie vertrieben?«
    John zuckte mit den Schultern. »Den Siedlern blieb wohl nichts anderes übrig. Die Clans hatten die Angewohnheit, einmal in jedem Jahr das gesamte Gras der Gegend abzufackeln, aus welchem Grund auch immer. Verstehe einer die Schwarzen. Jedenfalls sind ständige Brände keine angenehme Vorstellung, wenn man in Holzhäusern lebt, Obst und Getreide anbaut und Vieh hält.«
    »Man hat die Eingeborenen aber nicht getötet, oder?« Trotz der milden Nachmittagssonne war es Emma plötzlich kalt.
    »Natürlich nicht!« John lächelte nachsichtig. »Sie wurden nur umgesiedelt. Einige leben jetzt, habe ich gehört, als Helfer auf Viehstationen, und der Rest haust in Camps außerhalb der Stadt. Wenn du möchtest, können wir uns so ein Camp ja mal anschauen.«
    Emma starrte ihn entsetzt an.
    »Muss aber nicht sein«, versicherte John ihr schnell. »Ohnehin gibt es da nicht viel zu sehen. Ständig Streit um Branntwein und Nahrungsmittel, betrunkene Männer, die ihre hässlichen Frauen schlagen, rotzfreche Kinder und magere Hunde.«
    »Warum streiten sie denn ums Essen, um Gottes willen?«
    Emma konnte kaum glauben, was John ihr erzählte. Die Schwarzen, die sie kannte, wären niemals auf die Idee gekommen, sich so zu verhalten! Gewiss, in Ipswich hatte auch Emma schon Schwarze gesehen, die sich zerlumpt und betrunken in dunklen Hausecken herumgetrieben hatten – aber ganze Camps davon?
    Unwillkürlich standen Emma die stolzen und auf eigenwillige Art schönen Gesichter der Clanmitglieder vor Augen. Birwain mit seinen weisen Augen und den Hunderten von Runzeln; der junge, kräftige Yileen; Purlimil, wie sie gewesen war, bevor die Schwermut ihr Gesicht gezeichnet hatte: schön und mit einem übermütigen Lächeln. Emma dachte an ihre süße Belle und den kleinen Gelar. Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Johns Beschreibung des Schwarzen-Camps schien zu einer völlig anderen Welt zu gehören.
    »Ich glaube nicht, dass ich diese Camps jemals sehen möchte«, sagte Emma und schauderte.
    John zügelte Sirius, sprang ab und hielt ihr seine braun gebrannte Hand hin, um auch ihr vom Pferd zu helfen. »Kein Problem. Wir unternehmen nur Schönes, während wir hier sind, einverstanden? Ein bisschen einkaufen, mal wieder was Leckeres essen oder einen echten deutschen Kaffee trinken.« Er lächelte verschmitzt, wobei sich zwei Grübchen in seinen Wangen bildeten. »Kann ich dich damit reizen, schönes Fräulein ?«
    »Ach, du sprichst Deutsch?« Sein englischer Akzent entlockte ihr ein Lächeln, während sie absaß und sich den Staub vom Rock

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