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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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vorstellen konnte.
    Rasch verdrängte Emma die Erinnerung an seinen Antrag. Erst einmal musste die Sache mit Nowalingu aus der Welt geschafft werden. So wütend, wie Birwain aussah, würde das allerdings kein Kinderspiel.
    Wirklich verstehen konnte Emma Birwains Zorn nicht. Hatte Nowalingu sich dem Engländer nicht aus freien Stücken hingegeben? Und nicht nur ihm, sondern augenscheinlich auch Birrinbirrin? Und hatte Purlimil nicht einmal gesagt, dass voreheliche Liebe völlig in Ordnung sei, solange der zukünftige Bräutigam nichts davon ahnte?
    »Diskret hättest du sein müssen!«, knurrte Birwain und riss Emma damit aus ihren Gedanken. Sie horchte auf. »Diskret und rücksichtsvoll! In der Nacht hättest du sie treffen müssen, wenn du schon nicht die Finger von ihr lassen kannst. Aber doch nicht am helllichten Tag! Und danach lässt du dich von Birrinbirrin verprügeln, damit auch noch der Letzte hier mitbekommt, was du mit unseren Frauen treibst!«
    John warf Emma einen nervösen Blick zu. »Ich glaube, es wäre besser, wenn du jetzt gehst.«
    Sie schüttelte knapp den Kopf. »Bemüh dich nicht, ich bleibe. Ich will sicher sein, dass ihr euch nicht die Köpfe abreißt.«
    Unverdrossen startete Birwain einen neuen verbalen Angriff. »Unsere Sitten willst du erforschen, was? Warum achtest du sie dann nicht, John Roberts? Warum schreibst du sie erst auf, wenn du sie danach mit Füßen trittst?«
    »Ich achte eure Sitten sehr wohl, genau wie ich den Willen der Frauen achte«, entgegnete John kühl. »Was Nowalingu und ich getan haben, war ihr erklärter Wille, das kannst du mir glauben.«
    »Bei allen Geistern, hat sie dir denn nicht gesagt, dass man euch nicht sehen darf?«
    »Nein. Es schien ihr recht gleichgültig zu sein, was über sie geredet wird. Vielleicht möchte sie ihren Zukünftigen gar nicht heiraten. Vielleicht betrügt sie ihn deshalb schon vor der Ehe so schamlos, und zwar nicht nur mit mir. Ist dir dieser Gedanke noch nie gekommen, Birwain?«
    Der Schamane trat drohend einen Schritt auf John zu. »Selbst wenn es sich so verhielte, wäre es nicht an dir, sie vor dem Alten zu retten! Kümmere du dich um Emma und lass unsere Frauen in Ruhe.«
    »Das werde ich in Zukunft auch tun, keine Sorge«, konterte John abfällig. »Es ist den ganzen Ärger wahrlich nicht wert.«
    Birwain und Emma blieb vor Empörung gemeinschaftlich die Luft weg.
    »Noch was, Birwain«, setzte John ungerührt nach. »Ich erforsche nicht eure Sitten, wie du zu glauben scheinst, und ich schreibe sie auch nicht auf, denn so spannend finde ich sie nicht. Ich kümmere mich um Pflanzen, nicht um menschliche Lebensgewohnheiten; das ist allein Emmas Sache. Mein Anteil erschöpft sich darin, ihre Arbeit zu beurteilen.«
    Birwain knirschte mit den Zähnen. So wütend hatte Emma den Schamanen noch nie erlebt.
    »Dann beeilst du dich wohl besser mit deiner Beurteilung«, stieß er hervor. »Lange werde ich dich nämlich nicht mehr hier dulden, John Roberts. Menschen deines Schlages sind es, die uns den Untergang bringen! Ihr nehmt euch von uns dummen Wilden, was ihr gerade braucht, und dann werft ihr uns, ohne zu zögern, weg. Genau das machst du mit Nowalingu!«
    »Birwain, jetzt wirst du aber ungerecht«, mischte Emma sich ein. Sie fühlte sich, bei aller berechtigten Kritik an Johns Verhalten, genötigt, ihn zu verteidigen. »John hat Nowalingu schließlich zu nichts gezwungen. Und man kann es gewiss nicht John anlasten, wenn Birrinbirrin eifersüchtig ist, einen Streit vom Zaun bricht und handgreiflich wird!«
    Noch während sie es sagte, wunderte Emma sich über sich selbst. So distanziert konnte sie also darüber diskutieren, dass John mit einer anderen Frau geschlafen hatte. Brächte sie das auch fertig, wenn Carl an Johns Stelle stünde? Niemals! Was nicht dafür sprach, fuhr es ihr durch den Kopf, dass sie John gegenüber ernstzunehmende Gefühle hegte. Geschweige denn, dass diese Gefühle für eine Ehe reichten.
    Birwain schaute Emma ins Gesicht. Beißend sagte der Alte: »Du hältst zu ihm, obwohl er so anders ist als dein Mann? Nun ja, du musst dich arrangieren. Das verstehe ich.«
    Seine zynischen Worte trafen Emma. Eben wollte sie Birwain erklären, dass es so einfach nicht war, dass sie ihren verwirrten Zustand zwischen den Welten, der weißen und der schwarzen, selbst nicht verstand, da fügte der Alte etwas milder hinzu: »Emma, du kannst nichts dafür. Doch es bleibt dabei, auch wenn es dich schmerzt: John muss gehen.

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