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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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zustürmen und ihn mit deinem Buschmesser erstechen.«
    Sie zuckte zusammen. »Um Gottes willen, John!«
    »Das war doch der Plan, oder? Ihn zu töten, meine ich.«
    Emma schwieg. Plötzlich kam ihr das, was sie die ganze Zeit über als ihre Aufgabe angesehen hatte, barbarisch vor. Mit Macht kehrten alle ihre Zweifel zurück.
    Was tat sie hier eigentlich?
    »Lass uns anhalten, John. Ich … ich brauche eine kurze Pause.«
    Sie zügelte Princess und sprang ab. Birrinbirrin rutschte überrumpelt vom Pferd und fluchte laut, aber Emma eilte davon, ohne sich umzudrehen. Sie hörte, dass John ihr folgte, blieb jedoch erst stehen, als er sie eingeholt hatte und nach ihrem Arm griff. Heftig atmend starrte sie auf die ferne Station.
    Wie verrückt, wirbelte es durch ihren Kopf, war sie in den letzten Monaten eigentlich geworden? Hatte das Leben mit den Schwarzen ihren Verstand wirklich so sehr verdreht, dass sie aus dem Nichts einen Mann angreifen und vom Leben in den Tod befördern wollte? Nur, weil er laut Birwain ein D’anba war?
    Nein, dachte Emma in plötzlicher Klarsicht, nicht, weil er ein D’anba war. Sondern weil sie wusste, dass er etwas mit Carls Verschwinden zu tun hatte. Wenn sie Oskar nicht entgegentreten würde, dann würden die Ungewissheit über Carls Schicksal und das bohrende Gefühl, ihren Mann im Stich gelassen zu haben, sie in den Wahnsinn treiben.
    Emma spürte Johns fragenden Blick.
    »Geht es dir gut?«, fragte er vorsichtig.
    »Nur ein kleiner Schwächeanfall. Ist schon vorüber.« Emma atmete einige Male tief durch.
    Dann sagte sie gefasst: »Nein. Ich werde mich nicht auf Oskar stürzen. Natürlich nicht. Wir werden … wir werden mit ihm reden. Er kennt dich doch, er hat dich ja sogar zu sich eingeladen. Das dürfte dir seine Türen öffnen, meinst du nicht?«
    »Dich kennt er auch«, sagte John, und Emma merkte an seinem brüsken Tonfall, woran er dachte.
    »Ja, er kennt mich, und natürlich wird er misstrauisch sein, wenn er mich sieht. Aber ich hoffe, deine Anwesenheit wird Übergriffe vermeiden. Einen Mann deiner Klasse bringt man nicht ungestraft um, John. Das ist auch einem wie Oskar bewusst.«
    »Mein Stand wird uns weniger helfen als mein Gewehr.« John klopfte grimmig auf die Waffe, die an seiner Seite baumelte. »Zumindest wenn es hart auf hart kommt.«
    Beide spähten sie auf die Holzgebäude, die Ställe und Wege, die friedlich im Morgenlicht lagen. Aus dem großen Gehöft im Herzen der Anlage stieg eine dünne Rauchfahne in den Frühlingshimmel auf. Der malerische Anblick ließ jeglichen Gedanken an Kampf und Tod abwegig erscheinen.
    John drehte sich um und stapfte entschlossen zurück zu den Schwarzen, die ungeduldig bei den Pferden warteten.
    »Auf geht’s, Emma. Bringen wir es hinter uns.«

10
    B irrinbirrin und Birwain hielten sich tapfer auf den Pferderücken, während Emma und John über die Wiesen galoppierten. Mit jedem Yard, das sie sich der Station näherten, wuchs Emmas Anspannung. Sie setzten über sumpfige Bäche, preschten an Kängurus vorbei und stoben um Bäume mit tiefschwarzer Rinde, bis sie endlich den Weg erreichten, der in das Gelände der Station hineinführte.
    Die Pferde waren nassgeschwitzt und hatten weißen Schaum vor den Mäulern, doch Emma hätte sie ohne Bedenken weitergejagt. Lediglich das Wissen, dass sie und John ruhig und überlegen wirken mussten, zwang sie nun zum Schritt. Innerlich vibrierend, näherte sie sich langsam Oskars Haus, während sie jedes Detail der weitläufigen Anlage in sich aufnahm: die sandigen Wege in den struppigen Wiesen, den weiß gestrichenen Holzzaun, der das Wohnhaus und die angrenzenden Hütten umgrenzte, und die hohen Bäume. Dann die Gebäude, die in unmittelbarer Nähe zueinander errichtet worden waren, Ställe, Arbeiterhäuschen und Einfriedungen für die Schafe, die jetzt leerstanden. Weiße Männer auf Pferden oder Ochsenkarren, geschäftige Mägde, hier und dort ein in Lumpen gehüllter Schwarzer.
    Birrinbirrin hinter ihr verstärkte den Griff um ihre Taille, auch er war aufgeregt. Emma merkte, dass ihre Hände zitterten. Dabei hatte bisher noch kein Mensch von ihnen Notiz genommen.
    John erreichte das Holztor vor dem Gehöft als Erster, sprang von Sirius ab und öffnete es. Als er sich Emma zuwandte, stand eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen. »Steig ab, komm zu mir und bleib an meiner Seite.«
    Sie war jetzt so nervös, dass sie sich über seinen Befehlston noch nicht einmal ärgerte.
    Zu viert

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