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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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und trat auf ihre Gäste zu. Sie ist schön, dachte Emma verwundert, schön auf eine unirdische, zerbrechliche Art. Wie ein Engel aus Porzellan.
    »Treten Sie doch bitte näher«, sagte Mrs Crusius lächelnd. »Vielleicht wollen Sie mir ja verraten, mit wem ich die Ehre habe?«
    Freundlich war sie also auch noch. Emma starrte die junge Frau an, unfähig, auch nur ein Wort zu erwidern. Was hatte sie denn erwartet? Eine Hexe? Zumindest hatte sie eine Person erwartet, die Oskar in Bosheit und Hinterlist ebenbürtig war. Ablehnung hatte sie erwartet und Aggression. Nicht gefasst gewesen war sie hingegen auf Mrs Crusius’ offenes Lächeln und ihre bestrickende Zartheit. Sie hatte nicht mit echter Freude in den großen, dunklen Augen der Frau gerechnet und ganz gewiss nicht mit …
    »Tee? Rosie, wärst du so gut?«
    Beinahe hätte Emma hysterisch aufgelacht.
    Die Magd knickste, warf John noch einen sehnsüchtigen Blick zu und eilte dann davon.
    John stellte sich selbst und Emma formvollendet vor und bot dabei seinen ganzen Charme auf. Erklärend setzte er hinzu: »Ich hatte die Ehre, Ihren Gemahl auf einem Ball kennenzulernen, Mrs Crusius. Leider waren Sie damals unpässlich, wie er mir erzählte. Mr Crusius lud mich ein, ihn zu besuchen, und da Mrs Scheerer und ich gerade auf dem Weg waren, dachte ich mir, ich nehme die Einladung ganz spontan und unverschämt an.«
    »Das ist ja reizend.« Mrs Crusius strahlte. »Da hat der liebe Oskar recht gehandelt, dass er Sie zu uns eingeladen hat! Wohin sind Sie denn unterwegs, wenn ich fragen darf?«
    John zögerte nur kurz. »In den Regenwald. Ich möchte Mrs Scheerer die freie Natur zeigen, sie kannte bislang nur das Stadtleben.«
    Ach ja? Emma bemühte sich um eine neutrale Miene.
    Mrs Crusius wandte sich ihr zu. »Seien Sie herzlich willkommen im Nirgendwo, meine Liebe. Freie Natur gibt es hier in Hülle und Fülle, wenn es auch sonst nicht viel gibt. Bestimmt sind Sie hungrig, habe ich recht? Rosie soll uns Kuchen bringen. Ach, es ist fein, wieder einmal Gesellschaft zu haben! Mein Mann ist so schrecklich viel unterwegs. Immer darauf bedacht, die Hirten zu beaufsichtigen, neue Geschäftskontakte zu knüpfen, im Wolllager nach dem Rechten zu sehen …«
    Sie ließ sich seufzend in ihren Sessel sinken, doch gleich darauf hellte sich ihr Gesicht wieder auf. »Aber was klage ich? Wenn man die Zucht veredeln will, kann man die Hände eben nicht in den Schoß legen, nicht wahr? Die Wolle unserer Merinoschafe ist gefragt. Umso mehr sind wir darauf bedacht, unsere anderen Rassen durch fortwährende Kreuzung zu veredeln.«
    Ob Mrs Crusius immer so viel redete? Dann wunderte es Emma nicht, dass Oskar ständig unterwegs war.
    »Ich sehe schon, hier spricht eine Frau mit ungewöhnlichen Kenntnissen«, sagte John anerkennend. Er setzte sich auf das kleine Sofa und zog Emma auf den Platz neben sich. »Ihre Familie ist wohl schon lange in der Schafzucht engagiert?«
    »Nein, gar nicht. Aber alles, was mein verehrter Herr Vater auch nur für eine Minute anfasst, wird zu Gold.« Mrs Crusius lachte. »Er hat mir und meinem Mann nach der Hochzeit die Station überlassen, weil er wusste, dass sie bei Oskar in guten Händen ist. Mein Vater tanzt auf so vielen anderen Hochzeiten, dass er froh ist, dieser Verpflichtung ledig zu sein. Ach, ich plappere schon wieder in einem fort. Das kommt von der Einsamkeit, man ist so froh, endlich zwei nette, verständige Gesprächspartner zu haben.«
    Sie muss wirklich ausgehungert sein, dachte Emma wider Willen amüsiert, mich als verständige Gesprächspartnerin zu bezeichnen, obwohl ich bisher kein einziges Wort gesagt habe …
    Aber sie war ja auch nicht zum Plaudern und Teetrinken gekommen.
    Emma gab sich einen Ruck. »Mrs Crusius, ich bin sehr beeindruckt von Ihrer Station. Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns ein wenig herumzuführen?«
    Mrs Crusius zog die schmalen Augenbrauen hoch. Mit diesem Wunsch hatte sie offenbar nicht gerechnet.
    Doch sie fing sich sofort wieder, erhob sich und sagte höflich: »Mit dem größten Vergnügen, Mrs Scheerer. Da Sie nur das Stadtleben kennen, muss Sie das alles hier natürlich brennend interessieren, nicht wahr? Also kommen Sie. Ich bin sicher, nach einem kleinen Rundgang an der frischen Luft werden uns Tee und Kuchen besonders gut schmecken.«

11
    B irwain sah John, Emma und eine weitere junge Frau – Mrs Crusius, vermutete er – aus dem Haus treten. Von seinem Platz im Schatten der Stallwand aus, wenige

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