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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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ist unser Brauch. Manchmal müssen wir vor Gefahren fliehen, oder die Nahrung reicht nicht mehr aus, oder wir wandern für die Geister. Es gibt viele Gründe, Emma.« Tränen traten in Purlimils Augen. »Aber jede Frau kann zusätzlich zu ihrem Hausrat nur ein Baby tragen. Deshalb darf keine Frau zwei Babys gleichzeitig haben. So lautet das uralte Gesetz, das die Schöpferwesen festgelegt haben. So war es immer.«
    Emma zuckte verständnislos mit den Schultern. »Na und? Wenn man Zwillinge bekommt, dann ist das halt so, Gesetz hin oder her. Eure Ahnenwesen in Ehren, Purlimil, aber gegen Zwillingsgeburten können nicht einmal sie etwas ausrichten!«
    Purlimil schlug die Hände vor das Gesicht und weinte.
    Emma starrte die Freundin an.
    Und sie begriff das Ungeheuerliche.

9
    A ls Wissenschaftlerin war Emma aufgebrochen, als entsetzte, aufgelöste Frau stolperte sie nun hinter Purlimil her auf die heilige Lichtung.
    Der Gesang hatte wieder eingesetzt, er war nun wild und ekstatisch. Die Frauen tanzten und schlugen rhythmisch mit den Händen gegen ihre Hüften, keine schien Notiz von Emma und Purlimil zu nehmen.
    Zwischen den Schildkrötensteinen brannte ein Feuer. Um Steine und Feuer herum bildeten die bemalten Ritualstöcke, die die Frauen in die feuchte Erde gerammt hatten, einen geschlossenen Kreis. Wie todbringende Speere ragten sie in den Himmel; jeder einzelne von ihnen, so kam es Emma vor, bedrohte das ungeborene Leben in Purlimils Leib.
    Emma warf einen gehetzten Blick auf die Freundin, die ergeben neben ihr stand und auf die tanzenden Frauen blickte. Purlimil hatte zwar Tränen in den Augen, schien jedoch nicht auf die Idee zu kommen, das Ritual in irgendeiner Weise zu stören oder sich gegen das ihrem zweiten Baby auferlegte Schicksal zu wehren.
    Emma war fassungslos. Warum kämpfte Purlimil nicht um ihr zweites Kind? Warum versuchte sie es nicht einmal? Wut löste das Entsetzen in Emmas Herz ab, und sie weigerte sich beharrlich zu glauben, was ihr Verstand bereits akzeptiert hatte: dass die Gesetze der Traumzeit unveränderlich und unantastbar waren. Dass Purlimil sich ihnen trotz ihres Schmerzes bedingungslos unterwarf. Und dass sie, Emma, absolut nichts dagegen tun konnte.
    Purlimils zweites Baby würde sterben.
    Gequält wandte Emma den Blick von ihrer Freundin ab. Die Gesichter der tanzenden Frauen, die sie noch vor wenigen Minuten als Freundinnen bezeichnet hätte, erschienen ihr nun grausam und barbarisch. Das Feuer verzerrte ihre Mienen, die weiß bemalten Körper zuckten in rauschhafter Bewegung. Emma wollte die Frauen anschreien oder davonlaufen oder einfach nur heulen – aber auf gar keinen Fall hierbleiben, bei diesem grässlichen Ritual, zwischen diesen Eingeborenen, die ihr fremder vorkamen denn je.
    Sie spürte, wie sie hysterisch wurde, kam aber nicht dagegen an. Ununterbrochen hämmerte ihr Verstand es ihr ein: Die Schwarzen wollten Purlimils zweites Baby töten. Ein kleines, unschuldiges Geschöpf … einfach umbringen … während Emma sich seit Monaten vergeblich danach sehnte, schwanger zu werden … oh Gott, wie gerne sie ein Baby hätte, wie sehr sie sich danach verzehrte …
    Ruhig. Ruhig, zum Teufel!
    Emma atmete tief durch und rang verbissen um Selbstbeherrschung. Es ging hier nicht um sie, Emma, es ging um Purlimil. Die Freundin brauchte ihren Trost. Und vor allem brauchte sie ihre Hilfe.
    Der Gesang schwoll an, wurde noch bizarrer und bedrohlicher, und Emma klammerte sich an ihren letzten Gedanken – Purlimil und ihre Babys brauchten ihre Hilfe, wenn sie auch noch keine Ahnung hatte, welcher Art diese Hilfe sein sollte –, als die alte Gunur stampfend den Kreis der Tanzenden verließ.
    Und genau auf Emma zusteuerte.
    Ehe sie sich’s versah, hatte Gunur sie zum Feuer gestoßen. Rasch bildete sich ein enger Kreis aus ekstatisch zuckenden Leibern um Emma herum, und sie wurde auf einen der Schildkrötensteine gedrängt. Es blieb ihr nichts übrig, als ihn widerwillig zu erklimmen. Das Feuer hinter ihr trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, ihre Gedanken rasten. Purlimil, die Babys, die Geister, Emmas Aufgabe, der bedrohliche Gesichtsausdruck der alten Gunur – alles vermischte sich zu einem Strudel aus Ängsten und Ahnungen, die aufblitzten und wieder verschwanden. Und inmitten dieses Alptraums stand sie wie erstarrt, unfähig, sich von ihrem Stein wegzubewegen.
    Gunur breitete die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und beschwor murmelnd die Geister.
    Dann begann sie

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