Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
wandern müssen …«
    »Herrgott, sie wandern doch gar nicht so oft! Nein, Carl. Es ist Mord, simpler, brutaler Mord, und das lasse ich nicht zu, alte Sitten hin oder her.« Eine wahnwitzige Idee schoss Emma durch den Kopf. »Ich werde das Baby nehmen. Ich werde an Purlimils Stelle seine Mutter sein.«
    Carl seufzte. Er stand auf und entledigte sich seiner restlichen Kleidung. Unwillkürlich schluckte sie, als sie ihm dabei zusah.
    Seine Hose landete neben dem Hemd auf dem Boden. »Wie willst du das Kind ernähren?«, fragte er sachlich. »Es braucht Muttermilch, um zu überleben.«
    »Ich … nun, ich könnte …«
    Tja, was? Nichts konnte sie. Ihre Brüste würden niemals Milch produzieren. So wie ihr Körper niemals ein Kind austragen würde. Sie konnte ja keine Kinder bekommen, die letzten Monate hatten es bewiesen. Sie hatte es verwirkt; die Fehlgeburt, damals in Deutschland, hatte sie unfruchtbar gemacht. Es war so verdammt bitter: Weil sie schwanger gewesen war vom falschen Mann, konnte sie nun Carl nicht zum Vater machen.
    Ich bin als Ehefrau genauso eine Enttäuschung wie als Forscherin, schoss es ihr durch den Kopf, und deshalb wird Carl früher oder später aufhören, mich zu lieben.
    Er wandte sich von ihr ab. Tränenblind beobachtete sie, wie er ins Wasser stieg. Seine braune Haut glänzte in der Sonne, und er sah so gut aus, so muskulös und männlich … während sie selbst gar keine richtige Frau mehr war.
    Ihr Jammer entlud sich in einem heftigen Vorwurf. »Wie kannst du nur derart gefühllos sein, Carl? So kenne ich dich gar nicht! Deine Haltung ist unmenschlich.«
    Carl antwortete nicht. Stattdessen watete er zu einer tiefen Stelle, tauchte einmal ganz unter, kam prustend wieder hoch und schüttelte sich das Wasser aus dem schwarzen Haar, bevor er sich zu ihr umdrehte.
    Sie erschrak über den Zorn in seinem Blick.
    »Ich bin also gefühllos, ja?« Carls Stimme vibrierte vor unterdrückter Wut. »Wenn du das wirklich glaubst, dann lass dir eines gesagt sein, Emma: Ich verabscheue die Tötung dieses Babys genauso sehr wie du, und es quält mich nicht weniger als dich. Aber wenn wir anfangen, den Schwarzen unsere Wertvorstellungen aufzudrängen, wenn wir sie nach unseren Vorstellungen formen wollen, dann sind wir keine Forscher mehr, sondern können uns gleich den christlichen Missionaren anschließen!«
    Emma presste die Lippen aufeinander. Carl hatte recht – und doch auch wieder nicht. Sie war vollkommen unsicher, welche Haltung richtig war, ihre oder seine. Aber konnte man aus Unschlüssigkeit einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn ein solches Verbrechen bevorstand? Musste man nicht manchmal ohne zu überlegen auf sein Herz hören und handeln?
    Das alte Problem.
    Wie sollte sie nur weiter hier leben, wenn sie das Gefühl hatte, innerlich zu zerreißen?
    Stumm sahen sie einander an, suchten beide nach Antworten, die es nicht gab. Ihre Blicke schlangen sich umeinander, Zorn mischte sich mit Sehnsucht, und plötzlich wünschte Emma sich nichts mehr, als die Kluft zu überwinden, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte.
    Carl war es, der schließlich den Arm nach ihr ausstreckte. »Willst du nicht ins Wasser kommen? Zum Baden sind wir schließlich hier.«
    Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Ich komme.«
    Als sie sich vor ihm auszog, fühlte sie, dass etwas anders war als sonst. Sie fürchtete, dass Carl sie nach ihrem Streit kritischer betrachtete. Weniger liebevoll.
    Realistischer.
    Kaum war sie nackt, flüchtete sie in den Bach. Sie nahm sich nicht die Zeit, sich abzukühlen, sondern tauchte sofort unter Wasser. Der Schockmoment tat ihr gut. Gänsehaut überzog ihren Körper, während sie mit kräftigen Stößen zu Carl schwamm. Seine Arme umfingen sie so zärtlich wie immer, und das beruhigte sie ein wenig.
    »Vielleicht sind es ja gar nicht zwei Babys«, sagte sie, um Carl und sich selbst eine Brücke zu bauen. »Dass es Zwillinge werden, ist schließlich nur eine Vermutung.«
    »So ist es. Lass uns einfach hoffen, dass diese unerträglich allwissenden Geister sich dieses Mal geirrt haben.«
    Carls Stimme klang versöhnlich, und Emma nickte. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie.

11
    N un hatte seine junge weiße Freundin also ihre Aufgabe erhalten. Glücklich war Birwain trotzdem nicht, denn es war genau so gekommen, wie er befürchtet hatte: Sie wehrte sich.
    Mit den Honigwaben in der Hand, die er für das gemeinsame Essen am abendlichen Feuer erbeutet hatte, trottete

Weitere Kostenlose Bücher