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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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akzeptiert.
    Und sie, Emma Scheerer, war Mutter geworden.
    Ihr Verstand hatte Mühe, es zu begreifen. Sie sollte wirklich und wahrhaftig Mutter sein? Sie sollte ein eigenes Baby haben, ein Baby, das ihr in den Schoß gefallen war wie eine warme, reife Frucht? Ein schwarzes Baby?
    Verwirrt und glücklich folgte sie Gunurs Anweisungen. Statt das Baby in lauwarmem Wasser und Kuhmilch zu baden, wie sie es in Deutschland getan hätte, hielt Emma den winzigen Körper gehorsam über den Rauch und rieb ihn dann sehr zart und vorsichtig mit Sand und Asche ab. Eine seltsame Prozedur, fand sie, doch ihr Baby schien diese Pflege zu genießen. Es schrie nun nicht mehr, sondern wimmerte nur noch ein wenig.
    Wie wunderbar das klingt, mein Baby, dachte Emma, während ihre Finger über die zarte Haut strichen, mein Baby. Mein Baby!
    Leider schob ihr Geist sogleich einen unangenehmen Gedanken hinterher. Denn das Wunder dieser unverhofften Mutterschaft hatte einen kleinen Schönheitsfehler: Nicht nur war Emma Mutter geworden. Sondern Carl zugleich Vater.
    Und Emma wusste ganz und gar nicht, was er davon halten würde.

13
    C arl saß vor dem Zelt und schrieb an einem wissenschaftlichen Bericht, als Emma mit dem schlafenden Säugling im Arm auf ihn zutrat.
    Er hob den Kopf und lächelte. »Emma! Ich habe schon gehört, dass du dich als Geburtshelferin betätigen durftest. Und da ist ja auch das Kleine … deiner glücklichen Miene nach zu urteilen, waren es also doch keine Zwillinge.«
    »Ich … nun ja.«
    Emma sah unbehaglich auf ihren Ehemann hinunter. Sie fragte sich, wie sie ihm wohl möglichst schonend beibringen konnte, dass er Vater war. Konnte man einem Mann so etwas überhaupt schonend beibringen?
    Ihre Auseinandersetzung am Bach fiel ihr ein; seine Weigerung, ihre Idee, das Baby zu adoptieren, ernst zu nehmen, die Wut in seinem Blick.
    Carl legte die Schreibfeder beiseite, stand auf und drückte Emma einen Kuss auf den Mund. Dann betrachtete er das kleine Mädchen in ihrem Arm. Es war nun sauber, wenn auch immer noch nackt; Kleidung war für die Babys der Eingeborenen ebenso wenig üblich wie für die Kinder und die Erwachsenen. Die Haut des Babys war nicht schwarz, sondern goldbraun, sein Mund war gespitzt, und es ballte im Schlaf seine winzigen Fäuste.
    Carl strich mit seinem Zeigefinger zart über die kleine Wange. »Wie schön sie ist«, murmelte er lächelnd.
    Emma räusperte sich verlegen.
    Erst jetzt fiel Carl auf, dass etwas nicht stimmte. Er blickte seiner Frau tief in die Augen. »Hat die Geburt dich so durcheinandergebracht? Na, ist ja auch kein Wunder. Es gibt wenig, was so ergreifend ist wie der Beginn eines neuen Lebens, nicht wahr?«
    »Ja. Vor allem wenn der Beginn doppelt … ich meine, doppelter Beginn, doppeltes Ergriffensein …«
    Ach, es hatte keinen Sinn! Sie musste es ihm einfach sagen, geradeheraus und ohne zu stottern.
    »Es sind Zwillinge«, stieß sie hervor. »Purlimil wird für den Jungen sorgen und ich für das Mädchen. Das hier ist von nun an unser Baby, Carl.«
    Stille.
    Er starrte sie an, schien den Sinn ihrer Worte gar nicht zu begreifen. Sein Blick war so ungläubig, als habe Emma ihm gerade eröffnet, dass sie in Wirklichkeit eine spanische Prinzessin sei – oder ein australischer Baumgeist.
    Tapfer sagte Emma: »Ich habe geholfen, es auf die Welt zu holen, und Purlimil hat mich darum gebeten, es zu retten. Wie also hätte ich dieses Baby«, unwillkürlich drückte sie das kleine Wesen fester an ihre Brust, »dem Tode ausliefern können?«
    Carl erwachte aus seiner Erstarrung. Seine Stimme verriet keinerlei Emotionen, als er sagte: »Aber es kann nicht überleben, wenn es niemanden hat, der es stillt.«
    »Purlimil wird es stillen«, sagte Emma schnell. »Den gesamten Rest übernehme ich.«
    »Ach.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Und das haben die Schwarzen einfach so akzeptiert? Trotz dieser Geschichte mit dem Zorn der Geister, wenn man das Gesetz missachtet? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    Emma holte tief Luft. Jetzt kam der Teil der Geschichte, der Carl mit seinem ausgeprägten Beschützerinstinkt am wenigsten gefallen würde.
    »Ich habe ihnen gesagt, dass ich den Zorn der Geister auf mich nehme.«
    »Du hast was?«
    »Ach, Carl, das ist doch völlig gleichgültig! Du weißt so gut wie ich, dass es diese heidnischen Geister nicht gibt. Was soll mir schon passieren?«
    Denk an das Eukalyptusfeuer. An das Ritual und die Prophezeiung. Vergiss nicht, was du schon

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