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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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alles erlebt hast …
    Sie fegte die Mahnung, die durch ihren Kopf wehte, entschieden beiseite. »Was ist wichtiger, Carl, nicht existierende Geister oder ein lebendiges, unschuldiges, gerade geborenes Menschenkind, das noch sein ganzes Leben vor sich hat?«
    Emma sah ihrem Mann herausfordernd in die Augen, doch ihr Herz klopfte dabei zum Zerspringen. Du liebe Güte, was verlangte sie da eigentlich von ihm? Er sollte ein Eingeborenenbaby als sein eigenes annehmen. Nur weil Emma zu sentimental war, um den Dingen ihren jahrtausendealten Lauf zu lassen.
    Ich handele nicht wie eine Forscherin, sondern wie eine verzweifelte Frau, die keine eigenen Kinder bekommen kann, aber unbedingt ein Baby will. Und ich setze voraus, dass mein Ehemann meine folgenschweren Entscheidungen klaglos akzeptiert.
    Carl sah sie lange an, schien ihren stummen Kampf mit sich selbst zu begleiten. Er schimpfte nicht, rührte sich nicht, beobachtete sie nur.
    Schließlich sagte er: »Dann muss es wohl so sein.«
    Zitternd stieß Emma die Luft aus.
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie keine Ahnung gehabt hatte, wie sie hätte reagieren sollen, wenn ihr Mann das Baby abgelehnt hätte. Sie sah die Resignation in Carls Blick und fragte sich, ob sie den Bogen überspannt hatte; ob sie mit ihrer eigenmächtigen Entscheidung für ein schwarzes Kind etwas Wichtiges zwischen ihnen zerstört hatte. Ihr Mann hatte es immer akzeptiert, dass Emma für sich selbst entschied – aber das hier betraf sie beide.
    Im Grunde ließ sie Carl keine Wahl.
    Ob das seiner Liebe zu ihr Abbruch tat?
    Sie wagte es nicht, ihm die Frage zu stellen, denn sie hatte zu viel Angst vor der Antwort. Stattdessen lehnte sie sich mit dem Baby im Arm an Carls Brust und redete sich ein, dass alles in bester Ordnung war. Das Baby war gerettet, und Carl hatte ihr letztlich ihren Willen gelassen.
    Emma würde ihm schon beweisen, dass sie beide mit diesem Baby glücklich werden konnten.

14
    E inen Tag später saßen die erwachsenen Mitglieder des Clans vollzählig versammelt um das abendliche Feuer. Auch Carl, Emma und das neugeborene Mädchen waren dabei, lediglich Purlimil und ihr Säugling fehlten. Die junge Mutter würde, wie es die Tradition verlangte, die nächsten Tage noch am Geburtsort verbringen, von Gunur großzügig mit Nahrung versorgt.
    Am Vormittag hatte Gunur Emma in ihrem Zelt aufgesucht. Die Alte hatte ihr eröffnet, dass trotz ihres Einverständnisses als Älteste noch in großer Runde über das Schicksal des Babys beraten werden müsse. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit sei noch nicht gesprochen.
    Das war ein Schock für Emma gewesen, und nun fühlte sie sich angespannt und elend. Würde man versuchen, ihr das kleine Mädchen doch noch wegzunehmen? Und wenn ja: Würde sie es schaffen, sich zu wehren – gegen sie alle?
    Nervös ließ sie ihren Blick über die versammelten Schwarzen schweifen. Gunur hatte ihnen soeben mitgeteilt, dass Emma das zweite Baby als ihr eigenes aufnehmen wolle. Ein Raunen war durch die Reihen der Eingeborenen gegangen, als Gunur erklärt hatte, dass Emma sogar bereit sei, für diese Tat den Zorn der Geister auf sich zu nehmen. Die meisten Schwarzen schauten nun voller Mitleid auf Emma, wirkten aber auch erleichtert, dass das Baby am Leben bleiben durfte.
    Vor allem Yileen sah unendlich dankbar aus. Er grinste von einem Ohr zum anderen und konnte den Blick gar nicht von seinem kleinen Mädchen lassen, das friedlich in Emmas Armen schlief.
    Dayindi, der law man , sah weniger fröhlich aus, als er nun aufstand, um zum Clan zu sprechen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er in die Runde, Feuerschein und Schatten tanzten auf seinen Zügen. Emma betrachtete ihn unbehaglich. Ihr war klar, dass er es hasste – ja fast schon als persönlichen Affront auffasste –, wenn das Gesetz missachtet wurde. Und so wunderte es Emma nicht, dass sein Blick sie und das Baby auf ihrem Arm voller Feindseligkeit durchbohrte, als er zu sprechen begann.
    »Die Ahnen sind ständig um uns herum. Sie sehen alles!«, drohte er dem Clan düster. »Und sie werden uns schwer bestrafen, wenn wir zulassen, dass eine weiße Frau unsere Gesetze mit Füßen tritt. Wollt ihr etwa, dass unser Lager von einem verheerenden Wirbelsturm zerstört wird? Wollt ihr, dass der Blitzmann seine tödlichen Äxte auf uns schleudert? Oder dass die Ahnen uns eine Überschwemmung schicken? Denn dazu sind sie imstande, das könnt ihr mir glauben. Der Bach kann anschwellen, er wird

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