Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
lauter Aufregung verfiel sie ins Englische. »Oder Fencheltee. Oder Anistee, verdünnt und gesüßt. Ja, das ist es. Das Baby braucht diese Flüssigkeiten, um den zähen Schleim zu entfernen, der ihm im Mund hängt. Sehr empfehlenswert ist auch Rhabarbersaft, schließlich wird der bei uns sogar Kindersäftchen genannt, und …«
    »Emma!« Trotz ihrer Erschöpfung brachte Purlimil einen ironischen Gesichtsausdruck zustande. »Das klingt ja alles gut, auch wenn ich nicht weiß, was Fenchel, Anis und Rhabarber sind. Bloß: Woher soll ich hier diese seltsamen Flüssigkeiten bekommen?«
    »Oh.« Etwas verspätet wurde Emma bewusst, dass ihr solides Halbwissen in dieser Umgebung ziemlich unnütz war. »Tut mir leid, du hast natürlich recht. Aber was machen wir dann? Der Schleim muss entfernt werden, daran erinnere ich mich genau! Und das Baby darf auf keinen Fall angelegt werden, bevor nicht mindestens zwölf Stunden vergangen sind.«
    » Wir legen unsere Babys sofort an, und keines hat je unter Schleim im Mund gelitten«, sagte Purlimil bestimmt. »Wie kommt ihr Weißen nur darauf, dass ein Baby etwas anderes brauchen könnte als das, was seine Mutter ihm bieten kann?«
    Bevor Emma über diese durchaus berechtigte Frage auch nur nachdenken, geschweige denn sie mit Purlimil ausdiskutieren konnte, trat Gunur hinzu.
    Wie eine Schicksalsgöttin hielt sie den Erstgeborenen im Arm, der ebenso vehement schrie wie seine Schwester, und ließ eine Wortattacke los, unter deren Heftigkeit Purlimil zusammenzuckte.
    Emma verstand zwar kaum etwas, da Gunur noch schneller redete als sonst. Doch sie konnte sich denken, worum es ging: Gunur drohte Purlimil den Zorn sämtlicher Geister und Ahnen an, wollte die junge Mutter ihr Baby nicht den Gesetzen des Clans opfern.
    Nowalingu hatte sich auf dem Boden zusammengekauert und die Hände vor das Gesicht geschlagen, Gunur zeterte in einem fort, Purlimil schaute mit Tränen in den Augen zu der Alten hoch, ohne sich zu wehren, und beide Babys brüllten.
    Das war ja nicht auszuhalten!
    Energisch stand Emma auf, das kleine Mädchen sicher an ihrer Brust geborgen. Über das Geschrei hinweg sagte sie laut: » Ich werde mich um das Baby kümmern.«
    Augenblicklich verstummte Gunurs Gekeife.
    Die drei Frauen starrten Emma an, Purlimil dankbar, Gunur und Nowalingu bass erstaunt.
    »Der Zorn der Geister …«, setzte Gunur an, doch Emma unterbrach sie mit den Worten: »Der wird ganz allein mich treffen. Ich nehme den gesamten Zorn der Geister auf mich, Gunur. Es sind nicht meine Geister, und ich fürchte sie nicht.«
    Gunurs Blick veränderte sich, wurde ängstlich, dann nachdenklich.
    Schließlich fragte sie: »Wirst du alle Strafen der Geister akzeptieren, welcher Art sie auch sein mögen?«
    Das klang unheilvoll.
    Emma sah der Alten in die Augen, und nun stieg doch eine leichte Beklemmung in ihr auf. War sie sich eigentlich sicher, worauf sie sich da gerade einließ?
    Verdammt, wenn es diese rachsüchtigen Geister nun doch gab?
    Das Baby in ihren Armen weinte, sein Mündchen fuhr suchend auf dem Stoff ihres Kleides hin und her. Es hatte Hunger, wollte endlich an die Brust; es wollte leben. Emma senkte den Kopf und vergrub ihre Nase erneut in den zarten, feuchten Haaren. Wieder atmete sie den Duft des Babys ein, und obwohl es schmutzig und verklebt war, begann sich sein Eigengeruch immer stärker durchzusetzen – ein süßer Duft, der vom Neubeginn kündete, von Unschuld und vom Bedürfnis, in dieser Welt zu bleiben und geliebt zu werden.
    Und Emma konnte ihm diese Liebe geben.
    Sie hob den Kopf und sagte fest: »Alle Strafen, welcher Art auch immer.«
    Gunur nickte feierlich. »Dann soll es leben.«
    Vor Erleichterung versagte Emma die Stimme. Sie räusperte sich heftig, um zu verhindern, dass sie auf der Stelle anfing zu heulen. »Danke«, krächzte sie und klang dabei wie Birwain.
    Gunur, die nun gar nicht mehr wirkte wie eine Schicksalsgöttin, sondern eher wie eine liebevolle Großmutter, legte Purlimil den kleinen Jungen in die Arme. Mit der Hilfe seiner Mama fand er rasch die Brustwarze und fing an zu trinken.
    Nun wandte Gunur sich an Emma. »Auch dein Baby muss trinken«, sagte sie langsam und deutlich. »Ich zeige dir, was du tun musst, damit es an Körper und Seele rein wird. Danach gibst du es Purlimil, bis es satt ist.«
    Emma hatte nun keine Mühe mehr, die Rede der Alten zu verstehen, und in diesem Moment begriff sie zwei Dinge:
    Gunur hatte sie endgültig und unwiderruflich

Weitere Kostenlose Bücher