Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
ihre beruhigenden Worte erschienen ihr mit einem Mal verlogen und schal. Nein, von den Hunden drohte Belle keine Gefahr. Aber was, wenn Emma Mr Roberts’ Prüfung nicht bestand? Dann würde sie den Clan verlassen müssen … und sie würde Belle mit sich nehmen. Würde das Kind seiner Wurzeln berauben und es damit garantiert unglücklich machen. Aber Belle hierzulassen, bei ihrer schwermütigen Mutter und dem gnadenlosen Dayindi, war auch keine Lösung.
    Das vertraute Gedankenkarussell begann sich zu drehen.
    Belle hatte sich beruhigt, aber in Emma hatte sich wieder einmal drohend und mächtig die Sorge um ihre Zukunft erhoben. Sie war es so leid! Immer wieder dieselben Probleme und Fragen, dieselben Ängste. Die Hoffnungsfunken, dass Carl zurückkehren und alles wieder gut würde. Dasselbe tiefe Fallen in die Mutlosigkeit … seit so vielen Wochen. Was war Carl nur zugestoßen, und wie, um Himmels willen, würde es weitergehen?
    Irgendwann würden diese Gedanken, diese ewig ungelösten Fragen sie verrückt machen. Oder schwermütig, so wie Purlimil. Wenn Carl dann doch noch zurückkäme, würde er eine Frau vorfinden, die den Verstand verloren hatte, wirres Zeug vor sich hin brabbelte, ihn vielleicht nicht einmal mehr erkannte und …
    Ruhig drang Mr Roberts’ Stimme in ihr rotierendes Bewusstsein. »Glauben Sie wirklich noch daran, dass Ihr Mann lebt, Mrs Scheerer?«
    Sie hob den Kopf und begegnete seinem Blick. In den graugrünen Augen stand nun keine kühle Sachlichkeit mehr, sondern tiefes Mitgefühl.
    Die Aussicht auf Trost.
    Etwas in Emma bekam einen Riss, und sie wusste, wenn sie nicht aufpasste, würde es zerspringen wie Porzellan.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie erstickt.
    »So schwer es auch sein mag«, sagte Mr Roberts leise, »müssen Sie doch versuchen, sich mit dem Tod Ihres Mannes abzufinden. Zumindest wenn Sie eine Zukunft haben möchten.«
    Emma fing an zu weinen. Der Schmerz war zu scharf.
    Lieber Gott, er fehlt mir so sehr! Warum tust du mir das an?
    Zart legte Mr Roberts ihr seine große Hand auf den Rücken.
    Emma hob das tränenüberströmte Gesicht. »Warum sucht ihn denn niemand?«, schluchzte sie. »Ich verstehe das nicht! Warum will mir niemand helfen, meinen Mann zu finden?«
    Seine Hand strich über den Stoff ihres Kleides, tröstlich, beruhigend. Seine Worte jedoch trafen Emma wie Messerstiche. »Weil niemand daran glaubt, dass er noch am Leben ist.«
    »Aber warum denn nicht?«, rief sie verzweifelt aus. »Die Regierung könnte zumindest einen Suchtrupp losschicken! Er hat doch für sie gearbeitet, er war … er ist einer ihrer besten Forscher! Ist man ihm das denn nicht schuldig?«
    »Die Regierung vertraut, zumindest in dieser Hinsicht, den Fähigkeiten der Eingeborenen«, entgegnete Mr Roberts ernst. »Glauben Sie mir, ich habe den Herren die gleichen Fragen gestellt wie Sie, als ich den Auftrag bekommen habe, Ihr Projekt zu überprüfen. ›Wenn die Wilden Mr Scheerer nicht gefunden haben, dann wird niemand ihn finden‹, war ihre lapidare Antwort. Außerdem sei das die Aufgabe der Polizei. Die sei dafür ausgebildet.«
    Die Polizei – fast hätte Emma hysterisch losgelacht, als sie an ihren sinnlosen Besuch in Ipswich zurückdachte.
    »Also wird erwartet, dass ich mich damit abfinde«, brachte sie gallig hervor. »Dass ich Carl loslasse. Einfach so.«
    Mr Roberts schüttelte den Kopf. »Einfach so bestimmt nicht. Aber in kleinen Schritten. Jeden Tag ein Stückchen mehr. So lange, bis Sie Ihren Mann irgendwann einmal freigeben und mit Liebe an ihn zurückdenken können. Mit Liebe, aber ohne Trauer. Meinen Sie nicht, dass Sie das schaffen, Emma?«
    Durch den Nebel seiner Worte hindurch – Carl freigeben? – kam ihr vage zu Bewusstsein, dass Mr Roberts sie zum ersten Mal nicht mit dem förmlichen Mrs Scheerer angesprochen hatte. Emma hätte ihn kühl dafür zurechtweisen müssen, auch dies geisterte durch ihren Verstand; gleichzeitig wusste sie, dass sie es nicht tun würde. Er hatte sie Emma genannt, aber damit hatte er nicht mutwillig die Grenzen der Schicklichkeit übertreten, sondern ihr seine Freundschaft angeboten. Und Emma fühlte sich zu einsam, als dass sie dieses Angebot hätte ablehnen können.
    Langsam versiegten ihre Tränen. Sie schniefte ein letztes Mal. Belles zarter Duft stieg ihr in die Nase.
    Ich habe immer noch mein Kind. Wenn ich auch alles andere verliere, so habe ich doch immer noch mein Kind.
    Sie schloss die Augen und umfasste Belle fester,

Weitere Kostenlose Bücher