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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Wochen gebraucht, um so weit zu kommen!
    »Fertig«, sagte er schließlich und blickte zu Emma hoch. »Habe ich den Test bestanden?«
    Sie nickte widerwillig. »Sie waren nicht schlecht. Aber das war kein Test, Mr Roberts.«
    »Sie lügen schlecht. Und, was steht als Nächstes an? Soll ich versuchen, Belle zu stillen?«
    Sie starrte ihn an.
    Mr Roberts lachte. »Nur ein Scherz.«
    Er stand auf, drückte ihr das Baby in die Arme und klopfte sich den Staub von der Hose. Dann sah er sie direkt an. »Hören Sie, lassen wir die Spielchen, in Ordnung?«
    Abweisend sagte Emma: »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie meinen.«
    »Oh doch, das wissen Sie genau. Ein Vorschlag zur Güte: Sie versuchen nicht mehr, mich in Verlegenheit zu bringen, und ich bemühe mich im Gegenzug darum, Ihnen meine Anwesenheit so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich werde Sie nicht nerven; ich werde mich nicht in alles einmischen; ich bin bloß dabei. Gehen Sie Ihrer Arbeit nach wie immer. Ignorieren Sie mich einfach.«
    Zweifelnd erwiderte sie seinen Blick. Diesen attraktiven, gleichwohl äußerst lästigen Mann einfach ignorieren – wie sollte das wohl gehen?
    Aber hatte sie denn eine Wahl? Sie konnte sich gegen Mr Roberts sperren und es sich mit ihm verderben, was sich mit Sicherheit ungünstig auf sein Urteil auswirken würde. Oder sie konnte versuchen, die nächsten Wochen mit größtmöglicher Würde und Gelassenheit hinter sich zu bringen. Irgendwie würde es schon gehen; sie hatte schließlich schon ganz andere Herausforderungen gemeistert.
    »Abgemacht«, sagte Emma fest.
    In der Nacht träumte sie von Carl.
    Es war kein guter Traum.
    Ihr Mann war auf der Erde und gleichzeitig in der Hölle, in einer düsteren Zwischenwelt, die aus Verzweiflung, Qual und Bedrohung bestand. Carl war nicht tot, noch nicht. Sein Körper funktionierte, doch er war kaum bei Bewusstsein.
    Wenn Carl für einige Augenblicke aus der Schwärze auftauchte, litt er unsägliche Schmerzen, die Emma mit vernichtender Deutlichkeit an sich selbst zu spüren vermeinte. Er rief sie, aber nur in seinen Gedanken; gleichzeitig wollte er nichts dringender, als dass sie ihm fernblieb. Emma flehte ihn an, dass sie zu ihm kommen, dass sie ihn berühren und heilen durfte, denn sie wusste, dass sie es konnte. Doch er war unerbittlich. Diese Hölle war nur für ihn bestimmt, und wenn er darin umkommen musste, dann allein.
    Er schloss die Augen, wandte sich von ihr ab. Und als eine dunkle Gestalt sich über Carl erhob, um ihren tödlichen Schatten auf ihn zu werfen, fing Emma an zu schreien.

10
    MAI 1860
    I ch könnte Ihnen einen Stuhl bringen. Im Forschungslager gibt es genug Stühle, wie Sie wissen.«
    Mr Roberts stand im grüngoldenen Abendlicht neben Emma und schaute mit gerunzelter Stirn auf sie herab. Emma hockte mit Nowalingu auf dem Boden und zerstampfte Farnsamen mit einem Stein. Neben ihnen lag Belle in ihrer Trage, schaute hoch ins Blätterdach und brabbelte zufrieden vor sich hin.
    Obwohl die Herbstluft frisch und trocken war, standen Schweißtropfen auf Emmas Stirn. Immer noch empfand sie es als anstrengend, stundenlang auf diese archaische Art Samen zu zerstampfen, um später ein paar flache, harte Farnbrote daraus backen zu können. Aber sie nahm mittlerweile all ihre Mahlzeiten mit den Eingeborenen ein, und deshalb, fand Emma, musste sie auch dabei helfen, sie zuzubereiten.
    Sie wischte sich eine feuchte Strähne aus der Stirn, dann blickte sie zu Mr Roberts hoch. »Einen Stuhl? Meinen Sie das ernst?«
    »Selbstverständlich.« Er sah sich kurz um – hohe Farnbüschel, staubiger Boden, flackernde Feuer – und zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie mich im Forschungslager besuchen, sitzen Sie schließlich auch nicht auf dem Boden. Nur weil die Wild… weil die Eingeborenen es so gewohnt sind, müssen Sie es ihnen ja nicht gleichtun, oder?«
    Emma schüttelte unwillig den Kopf und fuhr fort, den Stein rhythmisch auf die Samen zu stoßen. »Jetzt beobachten Sie mich schon so viele Tage, Mr Roberts, und doch scheinen Sie das Wesen meiner Arbeit überhaupt nicht begriffen zu haben.«
    »Ach nein?«
    »Nein. Es geht mir doch genau darum: es den Menschen hier gleichzutun! Ich möchte die Position des Beobachters aufgeben, um mit ihren Augen zu sehen! Um mich mit Herz und Seele in sie einzufühlen.«
    Nowalingu, die neben Emma hockte und ebenfalls Samen zerstieß, verfolgte das Gespräch neugierig. Emma fiel auf, dass die junge Schwarze Mr Roberts kokett anlächelte. Er

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