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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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so kühl, dass sogar die Eingeborenen sich Felle umhängten. Barfuß allerdings liefen sie immer noch, und Emma kam sich im Vergleich zu ihnen recht verzärtelt vor. Sogar die Babys waren härter im Nehmen als sie selbst: Wenn Emma sie mit dem eisigen Bachwasser wusch, ertrugen Belle und Gelar diese Prozedur mit stoischem Gleichmut. Emma hingegen konnte sich ein erschrockenes Aufschreien vor Kälte nicht verkneifen, sobald sie sich Wasser auf ihre Gänsehaut spritzte, und ganz untergetaucht war sie seit Wochen nicht mehr.
    Sie schnallte sich die Trage mit Belle auf den Rücken; Gelar nahm sie auf den Arm. So bepackt machte sie sich auf den Rückweg zum Lager.
    »Glo-glo-glo«, lallte Belle fröhlich, und Gelar antwortete mit »Me-me-me«, während er nach Belles schwarzem Händchen griff und zärtlich hineinkniff. Belle quiekte. Gelar sabberte auf Emmas Schal.
    Sie schüttelte lachend den Kopf. »Ihr beiden amüsiert euch prächtig, während ich mich mit euch abschleppe, ja?«
    Das Lachen verging ihr jedoch, als ihr durch den Kopf ging, warum sie hier zwei Babys durch den Regenwald trug statt nur eines.
    Der Grund war Purlimils Zustand.
    Emma ging unwillkürlich schneller. Es wurde höchste Zeit, dass sie die Ältesten zusammentrommelte und sich mit ihnen beriet, denn so wie jetzt konnte es nicht weitergehen: Purlimil ging vor ihrer aller Augen zugrunde. Und Emma war nicht gewillt, nach Carl nun auch noch ihre Freundin zu verlieren.
    Ich habe Carl nicht verloren! Er wird zurückkommen, verbesserte sie sich automatisch.
    Ob sie diesen Reflex jemals loswerden würde?
    Emma zwang sich, sich auf Purlimil zu konzentrieren statt auf Carl. Es genügte, dass sie ständig von ihm träumte. Große Fortschritte darin, ihn freizugeben, hatte sie jedenfalls noch nicht gemacht.
    … die Eisenstange schwebt über dem Kopf des Dunklen, bevor sie niedersaust und auf Carls Oberkörper kracht. Carls Schrei ist der eines Tieres, unmenschlich in seiner Qual, bar jeder Hoffnung auf Erlösung …
    Emmas Herz pochte hart in ihrer Brust, ihre Hände fingen an zu zittern. Rasch packte sie Gelar fester, verankerte sich mit Hilfe des warmen, quicklebendigen Babys im Hier und Jetzt. Nicht an die Träume denken. Vielleicht war alles ganz anders.
    Vielleicht hatte Carl sie bloß verlassen.
    Vielleicht war er tot und ruhte in Frieden.
    Aber vielleicht ist die Wirklichkeit noch viel schlimmer.
    Als sie wenig später das Lager erreichte, war sie wieder vollkommen gefasst. Darin hatte sie es in den letzten Wochen zur Meisterschaft gebracht: Sie konnte blitzschnell umschalten – von tiefster Sorge und grauenvollen Ahnungen zur ruhigen, patenten Bewältigung ihres Alltags. Alle, die Schwarzen ebenso wie John, lobten Emma dafür, dass sie endlich begann, ihr Schicksal anzunehmen, und sie freuten sich, dass Emma auf dem Wege war, ins Leben zurückzufinden.
    Niemand ahnte, dass sie lediglich gelernt hatte, ihre Gedanken und Gefühle besser zu verbergen.
    Über Purlimils Hütte lag bedrückende Stille. Yileen saß im Schneidersitz draußen und wärmte sich an einem kleinen Feuer die Hände.
    »Wie geht es ihr?«, fragte Emma zur Begrüßung.
    Er schüttelte nur trübe den Kopf.
    Wie üblich also.
    Emma seufzte, dann bückte sie sich und schlüpfte mit den Babys in die Hütte.
    Purlimil lag auf der Seite und starrte blicklos an die Wand aus Gras und Rinde. Als sie Emma bemerkte, versuchte sie ein Lächeln, das zur Grimasse geriet.
    »Ich bringe dir die Kinder zum Stillen«, sagte Emma.
    Stumm setzte die Freundin sich auf. Sie ließ sich die Babys in die Arme legen, die gierig nach ihren Brustwarzen schnappten, und blieb dann teilnahmslos sitzen, als ginge sie das alles nichts an.
    Emma schaute unglücklich auf sie hinunter.
    »Ich muss dich für eine Weile mit den Kindern allein lassen, Purlimil. Ich möchte mit den Ältesten sprechen. Meinst du, du schaffst es, auf Belle und Gelar aufzupassen?«
    »Natürlich«, sagte Purlimil langsam. »Es sind doch meine Kinder.«
    Aber du vergisst, dass es sie gibt, sobald sie nicht mehr an deinen Brüsten hängen.
    Laut sagte sie: »Dann gehe ich jetzt. Ich komme bald zurück, ja?«
    Purlimil schaute sie nur leer an.
    Als Emma die Hütte verließ, drehte sie sich noch einmal nach ihr um. Sie hockte da wie eine willenlose Puppe, eine Hülle ohne Substanz.
    »Als habe sie keine Seele mehr, nicht wahr?«, sagte Yileen, der leise neben Emma getreten war und nun verzweifelt auf seine Frau blickte, die einmal ein so

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