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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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was er mit »Arbeit« meinte, war ihr leider nur allzu klar: Er würde mit der Prüfung ihrer Notizen beginnen.
    Langsam folgte sie Mr Roberts und Belle aus dem Haupthaus. Dabei hämmerte sie sich ein, dass der junge Mann – so nett er auch war, so gut er auch aussah und so geschickt er auch mit Belle umging – kein Freund war, sondern eine Bedrohung. Niemals durfte sie vergessen, warum er im Regenwald weilte: Er war der Mensch, der über ihre berufliche Zukunft entscheiden würde; der Mensch, der ihr guten Gewissens das Messer in die Brust rammen würde, wenn es ihm gerechtfertigt erschien.
    Somit war er der Letzte, der ihr Vertrauen verdiente.

9
    H m. Ein bisschen ungeordnet und unvollständig. Aber gar nicht so schlecht.«
    Mr Roberts saß vor Emmas Zelt, den Kopf über ihre Aufzeichnungen der letzten Wochen gebeugt. Mit ineinander verknoteten Fingern stand sie neben ihm und trat von einem Bein auf das andere.
    Er sah zu ihr hoch. »Wollen Sie sich nicht setzen? Ihre Zappeligkeit macht mich ehrlich gesagt ein wenig nervös.«
    »Setzen? Nein danke. Ich werde wohl eher … spazieren gehen. Ja, genau. Obwohl, lieber nicht. Denn dann können Sie mich nicht fragen, wenn Sie etwas wissen wollen. Zum Beispiel wenn Sie etwas nicht verstehen, was ich nur so als Notiz geschrieben hatte und erst später genauer ausführen …«
    »Immer mit der Ruhe«, unterbrach er sie und bedachte sie mit einem nachsichtigen Blick. »Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt: Auf keinen Fall werde ich der Kolonialregierung eine negative Beurteilung Ihrer Arbeit übersenden, bloß weil Ihre Aufzeichnungen im Moment nicht perfekt sind.«
    Emma schluckte und starrte auf den staubigen Boden.
    Mr Roberts schien auf eine Antwort zu warten; als sie ausblieb, strich er sich seufzend durchs Haar. »Hören Sie, Mrs Scheerer. Ich möchte mir einen Überblick verschaffen, das ist alles. Und ich weiß sehr gut, dass wissenschaftliche Notizen oft wirr sind und erst in Form gebracht werden müssen, bevor sie präsentabel sind. Hören Sie also auf, neben mir zu stehen, als sei ich ein Inquisitor. Und Sie die Angeklagte.«
    »Aber wenn es gar nicht so sehr auf meine Aufzeichnungen ankommt …« Emma knetete ihre Hände. »Na ja, Mr Roberts, worauf denn dann?«
    Er schob die Blätter zu einem Stapel zusammen, dann erhob er sich. »Ich muss es Ihnen also noch einmal erklären.«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Emma und bemühte sich um einen würdevollen Tonfall. Was gar nicht so leicht war, da sie sich Mr Roberts nicht nur unterlegen, sondern auch noch ziemlich ausgeliefert fühlte.
    »Also, worauf kommt es mir an?« Er musterte sie nachdenklich. »Auf Ihre Arbeitsweise, Mrs Scheerer. Ich möchte nicht nur Ihre Aufzeichnungen begutachten, sondern Sie vor allem beobachten. Sie begleiten und mir ansehen, wie genau Sie Ihre Forschungen betreiben. Ob Sie überhaupt noch genug Zeit dafür haben, jetzt, wo Ihr Mann weg ist und Sie den Alltag allein bewältigen müssen. Zumal Sie ja auch noch dieses Baby adoptiert haben.«
    Entsetzt starrte sie ihn an. »Sie wollen die ganze Zeit über dabei sein? Bei allem, was ich tue?« Das war ja noch schlimmer, als sie befürchtet hatte.
    »Soweit es Ihre Forschungen betrifft, ja«, sagte er achselzuckend.
    Du liebe Güte! »Aber alles hier betrifft meine Forschungen! Sie dürften mir von morgens bis abends nicht von den Fersen weichen!«
    »Diese Last nehme ich der Wissenschaft zuliebe gerne auf mich.« Er grinste.
    »Wie Sie wollen, Mr Roberts.« Emma stemmte die Hände in die Hüften. »Fangen wir doch am besten gleich an. Holen wir Belle bei Purlimil ab und wickeln wir sie. Wenn ich es mir recht überlege: Ich könnte es Ihnen zeigen, und dann wickeln Sie Belle! Es interessiert Sie bestimmt brennend, wie man das hier im Regenwald macht, oder? Gehört alles zu meinen Forschungen.«
    Er fixierte sie unter schweren Lidern. Dann nahm er die Herausforderung mit einem knappen Nicken an. »Worauf warten wir noch? Holen wir das Baby.«
    Wenig später musste Emma zugeben, dass er sich gar nicht so dumm anstellte. Um ehrlich zu sein, machte er seine Sache sogar recht gut.
    Das ärgerte sie.
    Mit vor der Brust verschränkten Armen sah sie Mr Roberts zu, wie er auf dem Boden kniete, die papierdünne Rinde um Belles kleinen Popo wickelte, sie feststeckte und es dabei auch noch schaffte, mit dem glucksenden Baby zu schäkern. Emma konnte kaum glauben, dass er das Ganze zum ersten Mal machte. Sie selbst hatte

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