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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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günstig war. Nicht solange sie zögerte, John neben ihrem Körper auch ihr Herz zu schenken.
    So weit aber war sie noch lange nicht.
    Das Feuer in ihrem Blut war erloschen. Ihr Atem beruhigte sich, und langsam wurden ihre Lider schwer. Als der Gesang von draußen abebbte, schlief Emma endlich ein.
    Und träumte von John.

24
    S ie hatte ihn bedroht, und ihr Pferd hatte ihn beinahe erdrückt. Dayindi brach der Schweiß aus, wenn er nur daran dachte. In dem grässlichen Moment, als das Tier ihm so nahe gewesen war, dass er seinen warmen Atem gespürt hatte, stand blitzartig alles wieder vor seinen Augen: die Leichen seiner Eltern, ihre entstellten Glieder, die zu Tode gestampften Körper, die grotesk eingedrückten Gesichter.
    Dayindi war ein Kind gewesen, seine Initiation hatte noch in weiter Ferne gelegen, doch an jenem Tag war er auf die brutalste aller Arten erwachsen geworden. Versteckt hinter einem riesigen Baum hatte er gesehen, was ihn fortan nie wieder loslassen sollte: Die Weißen hatten ihre Pferde über Vater und Mutter getrieben, ohne auch nur einen Herzschlag lang zu zögern. Sie hatten die beiden wertlosen Wilden einfach mit ihren Höllentieren niedergetrampelt, und das nur, weil sein Vater und seine Mutter nicht aus dem Weg gehen wollten, als die Reitergruppe mitten durch das heilige Farnland preschte.
    Dann war das Land entweiht und seine Eltern tot.
    Er hatte niemandem erzählt, was er gesehen hatte, der Schock hatte seine Lippen versiegelt. Später hatte er sich seines Schweigens geschämt, doch da war es zu spät gewesen, um mit der Wahrheit herauszurücken, niemand hätte ihm mehr geglaubt. Alle dachten, die Geister hätten seine Eltern bestraft. Gab es nicht immer einen Grund?
    Dayindi wischte sich in der Dunkelheit über die Stirn. Er hasste es, sich zu erinnern. Doch er konnte nicht verhindern, dass die Vergangenheit ihn prägte, dass sie alles bestimmte, was er dachte, fühlte und tat.
    Nein, er bereute nicht, dass er den D’anba geholfen hatte, die weißen Forscher ins Unglück zu stürzen.
    Leider entwickelte sich aber nicht alles so, wie die Besessenen es vorausgesagt hatten. War er, Dayindi, schuld daran? Das glaubte er eigentlich nicht. Er hatte die D’anba gerufen, sie waren gekommen, und er hatte seinen Teil des Plans erfüllt.
    Die besessenen Weißen waren es, die nicht zuverlässig waren. Warum kam der Brief nicht an, von dem sie gesprochen hatten? Längst hätte Emma sich aufmachen müssen, um in die Falle zu tappen! Dayindi knurrte ärgerlich. Stattdessen war der ganze Clan zum Wanderkult aufgebrochen, was früher oder später den unversöhnlichen Zorn der D’anba entfachen würde. Wenn er Pech hatte, würde die Macht der Marmbeja durch den Kult so weit gestärkt, dass die D’anba zurückgedrängt würden. Und sie würden die Schuld an dieser Entwicklung ihm geben, Dayindi.
    Was sie dann wohl mit ihm anstellen würden?
    Es gab nur eine Möglichkeit, ihnen zu beweisen, dass er keine gemeinsame Sache mit ihren Gegnern machte: Er musste unverzüglich aufhören, an den Ritualen teilzunehmen. Stattdessen würde er dorthin gehen, wo die besessenen Weißen lebten.
    Denn dort war er  – der D’anba, auf den es ankam.

25
    Ü ber Nacht war es kalt geworden im Regenwald.
    Vor den Mündern der Schwarzen bildeten sich weiße Rauchwolken in der winterlichen Luft. Doch das konnte niemandem die aufgekratzte Laune verderben, ebenso wenig wie der trübe Morgen. Auch müde, dachte Emma verwundert, schien keiner der Schwarzen zu sein, obwohl das Ritual etliche von ihnen die halbe Nacht lang auf den Beinen gehalten hatte. Ganz im Gegenteil schien die heilige Wanderung bei den Eingeborenen ungeahnte Energien zu mobilisieren: Kleine Kinder sprangen wie Irrwische um Emma und John herum, Frauen schrien sich gegenseitig Anweisungen zu, Männer packten Netze, Früchte und Gerätschaften ein, und die ganze Zeit über lachten, scherzten und plauderten sie.
    Die Situation war also denkbar ungünstig für eine ernsthafte Grundsatzdiskussion zwischen Emma und John; dennoch war Emma entschlossen, sich noch vor dem Aufbruch gegen ihn durchzusetzen.
    Wenig später stemmte sie die Hände in die Hüften und funkelte John wütend an. Er hatte leider nicht ganz so reagiert, wie sie sich das zuvor ausgemalt hatte.
    »Würdest du bitte meine Entscheidung respektieren, John Roberts?«
    John schüttelte mit provozierender Gelassenheit den Kopf. »Nein. Dayindi ist ein gefährlicher, außer Rand und Band geratener

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