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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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höchstselbst bereit, ihn zu verletzen. Schon vergessen?«
    »Als unser Verdacht mich aus der Fassung gebracht hat. Aber ich schäme mich schrecklich dafür.« Sie schüttelte den Kopf. »Außerdem ist das etwas ganz anderes, als Dayindi kaltblütig zu foltern, um an Informationen zu kommen, die er seinen Peinigern vielleicht gar nicht geben kann.«
    »Wer sagt denn, dass man ihn foltern wird? Wir sind schließlich ein zivilisiertes Volk!«
    »Eben.« Emma seufzte. »Es stimmt schon, ich habe Dayindi nach wie vor im Verdacht, dass er etwas mit Carls Verschwinden zu tun hat. Aber ich habe keinerlei Beweise! Ich mag ihn nicht, und er mag mich nicht, aber das reicht doch nicht aus, um ihn der Willkür weißer Polizisten zu überlassen! Vielleicht ist er unschuldig, John … und wird trotzdem gefoltert oder sogar umgebracht.«
    John runzelte missbilligend die Stirn. »Du scheinst nicht viel von unserem Rechtssystem zu halten.«
    »Weißt du denn nicht, wie sie mit den Schwarzen umgehen?« Emma erinnerte sich daran, was Carl ihr erzählt hatte. »Die Farmer schicken den Eingeborenen vergiftetes Mehl. Sie schlachten Dutzende von ihnen ab, wenn ein einziger Schwarzer sie bestiehlt. Ach John, wie viel mehr Grund für Grausamkeiten werden sie haben, wenn es um Mord geht statt um Diebstahl! Vielleicht löschen sie dann gleich den ganzen Clan aus … Das ist alles schon vorgekommen.«
    John betrachtete sie mit zusammengepressten Lippen. Zwischen seinen Augenbrauen stand eine steile Falte.
    Emma wunderte sich über seinen plötzlichen Missmut. Fühlte er sich etwa persönlich angegriffen, weil sie seine Landsleute kritisierte? Nun, darauf konnte sie leider keine Rücksicht nehmen. Nicht wenn es um das Leben so vieler Menschen ging.
    Offen erwiderte sie seinen Blick. »Ich liebe meinen Mann«, sagte sie fest. »Aber das, John, würde er nicht wollen. Niemals! Da bin ich mir absolut sicher. Zumal es ihn nicht zu mir zurückbringen wird.«
    Einige Sekunden lang musterten sie einander schweigend.
    Dann sagte John langsam: »Ich verstehe. Und ich akzeptiere deine Meinung. Carl war dein Mann, also musst du entscheiden, wie es weitergehen soll.«
    Emma atmete auf. »Danke.«
    Sie schenkte John ein erleichtertes Lächeln, und die Amazone in ihr klopfte sich selbst auf die Schulter.
    Dann aber fiel ihr ein, dass sie leider keine Ahnung hatte, wie sie und John weiter vorgehen sollten … was sie natürlich auf keinen Fall zugeben konnte, jetzt, wo er so überraschend bereit gewesen war, ihr die Führung zu überlassen.
    »Ich denke, ähm, dass wir … dass wir noch einmal mit Birwain sprechen sollten.«
    Toller Plan.
    John zog bloß die Augenbrauen hoch, und sie wand sich innerlich wegen ihrer Unbeholfenheit.
    Trotzig schob sie nach: »Wir haben den Schamanen nur auf dem falschen Fuß erwischt. Wir müssen ihn in einer ruhigen Minute um eine weitere Unterredung bitten, dann wird er sicher aufgeschlossener sein.«
    »Hm«, machte John zweifelnd. »Wie du willst.«
    Emma sah ihm deutlich an, dass er nicht überzeugt war, und das war sie selbst ja auch nicht. Aber was blieb ihnen anderes übrig? Tatsächlich war die Idee, Birwain doch noch dazu zu bringen, ihnen zu helfen, die einzig realistische Lösung.
    »Schlafen wir erst einmal darüber«, schlug sie versöhnlich vor. »Morgen früh starten wir dann den nächsten Versuch bei unserem uneinsichtigen Schamanen.«
    John sah sie mit einem schwer zu deutenden Ausdruck an. »Einverstanden. Schlafen wir darüber.«
    Er wies mit der Hand auf den Zelteingang und lächelte. »Nach dir, meine Liebe.«

23
    V erdammt, wer war nur auf diese fatale Idee gekommen, dass John und sie die Nacht miteinander im Zelt verbrachten? Getrennt nur durch ein friedlich schlafendes Baby, das keineswegs so viel Platz beanspruchte, dass die Köpfe der Erwachsenen nicht doch in gefährliche Nähe zueinanderrücken konnten …
    Schlaflos lag Emma auf dem Rücken. Immer noch hallte der unheimliche Gesang der Schwarzen durch die Nacht, begleitet vom archaischen Rhythmus unaufhörlich aufeinanderschlagender Hölzer.
    Wenn sie ehrlich war, lag ihre Schlaflosigkeit jedoch keineswegs am Lärm.
    Emma zwang sich, in die Dunkelheit über sich zu starren statt auf den Mann, der nur wenige Zentimeter von ihr entfernt auf dem Boden lag, ebenfalls schlaflos.
    Wie spät mochte es sein? Sie hatte das Gefühl, schon seit Stunden wach zu liegen. Obwohl das nicht ganz stimmte, zwischendurch war sie sehr wohl in einen unruhigen

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