Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
zögerte wieder. »So ein langes Kleid von Alexander McQueen. Der hat sich auch umgebracht und alles«, ergänzte sie nachdenklich.
»Waren Sie mit ihr in der Umkleidekabine?«
»Schon.«
»Und was hat sich dort abgespielt?«, bohrte Strike weiter.
Ihre Augen erinnerten ihn an die eines Stiers, dem er als kleiner Junge einst gegenübergestanden hatte: tief liegend, täuschend ruhig, unergründlich.
»Sie hat das Kleid angezogen«, antwortete Rochelle.
»Sonst hat sie nichts getan? Sie hat niemanden angerufen?«
»Nee. Also, schon. Könnt sein.«
»Wissen Sie, wen sie angerufen hat?«
»Keine Ahnung.«
Sie versteckte ihr Gesicht wieder hinter dem Pappbecher.
»War es Evan Duffield?«
»Könnt sein.«
»Wissen Sie noch, was sie gesagt hat?«
»Nee.«
»Eine Verkäuferin hörte sie am Telefon reden. Offenbar hat sie sich mit jemandem verabredet, den sie später in ihrer Wohnung treffen wollte. Viel später – in den frühen Morgenstunden, wie die Verkäuferin annahm.«
»Ach ja?«
»Also war es wohl eher nicht Duffield, oder, nachdem Lula mit ihm schon im Uzi verabredet war?«
»Sie wissen wirklich ’ne Menge, wie?«
»Jeder weiß, dass sich die beiden an diesem Abend im Uzi getroffen haben«, sagte Strike. »Das stand in allen Zeitungen.«
Ob sich Rochelles Pupillen zusammenzogen oder weiteten, war inmitten der praktisch schwarzen Iris kaum zu erkennen.
»Wahrscheinlich war’s wer anders«, gestand sie ihm zu.
»War es Deeby Macc?«
»Nie im Leben!«, rief sie und lachte gellend. »Von dem hatte sie überhaupt nich’ die Nummer.«
»Prominente kriegen fast immer die Telefonnummer von anderen Prominenten heraus«, gab Strike zu bedenken.
Rochelles Miene verdüsterte sich. Sie senkte den Blick auf das leere Display ihres rosa glitzernden Mobiltelefons.
»Ich glaub nich’, dass sie seine hatte«, sagte sie.
»Aber Sie haben gehört, dass sie sich mit jemandem für später in der Nacht verabredete?«
»Nee.« Rochelle wich seinem Blick aus und ließ den letzten Schluck Kaffee in ihrem Pappbecher kreiseln. »Ich kann mich nich’ erinnern.«
»Sie verstehen doch, wie wichtig das sein könnte?« Strike gab sich alle Mühe, möglichst unverfänglich zu klingen. »Falls Lula für den Zeitpunkt, als sie starb, eine Verabredung ausgemacht hätte? Die Polizei weiß nichts davon, oder? Sie haben das niemandem erzählt?«
»Ich muss los.« Sie stopfte sich den Rest des Cookies in den Mund, packte den Riemen ihrer billigen Handtasche und sah ihn böse an.
Strike unternahm einen letzten Versuch: »Es ist fast Zeit zum Mittagessen. Kann ich Sie noch zu irgendetwas einladen?«
»Nee.«
Doch sie rührte sich nicht vom Fleck. Er fragte sich, wie arm sie wohl war und ob sie regelmäßig aß. Unter ihrer unwirschen Art spürte er etwas, das ihn berührte: wütenden Stolz, gepaart mit Verletzlichkeit.
»Na gut, von mir aus.« Sie ließ die Handtasche wieder los und sackte auf den harten Stuhl zurück. »Ich nehm ’n Big Mac.«
Er hatte Angst, dass sie gehen könnte, während er am Tresen stand, aber sie war immer noch da, als er mit zwei Tabletts zurückkehrte; sie dankte ihm sogar, wenn auch mürrisch.
Strike wählte einen neuen Ansatzpunkt. »Sie kennen Kieran ziemlich gut, nicht wahr?« Er hatte bemerkt, wie sie bei der Erwähnung des Namens kurz aufgeblüht war.
»Schon«, sagte sie unsicher. »Wir sind oft zu dritt unterwegs gewesen. Er hat sie immer gefahr’n.«
»Er hat erzählt, dass Lula auf der Fahrt zu Vashti hinten im Wagen etwas aufgeschrieben hätte. Hat sie Ihnen irgendetwas gegeben oder gezeigt, was sie geschrieben hatte?«
»Nee«, sagte sie. Sie stopfte sich den Mund voll mit Pommes und sagte dann: »Ich hab nix geseh’n. Wieso, was hat sie denn geschrieb’n?«
»Das weiß ich nicht.«
»Vielleicht war’s ja ’ne Einkaufsliste oder so.«
»Ja, das hat die Polizei auch angenommen. Und Sie sind ganz sicher, dass Lula keinen Zettel, keinen Brief oder Umschlag bei sich hatte?«
»Ja, ganz sicher. Weiß Kieran, dass Sie sich mit mir treffen?«, fragte Rochelle.
»Ja, ich habe ihm gesagt, dass Sie auf meiner Liste stehen. Er hat mir erzählt, Sie hätten früher im St. Elmo gewohnt.«
Das schien ihr zu gefallen.
»Wo wohnen Sie jetzt?«
»Was geht Sie das an?«, gab sie unvermittelt scharf zurück.
»Gar nichts. Ich will mich nur mit Ihnen unterhalten.«
Rochelle schnaubte kurz. »Ich hab jetzt was Eigenes.« Sie kaute eine Weile vor sich hin und lieferte dann zum
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