Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Rauchen nach draußen gehen«, herrschte er Strike an.
Strike sah überrascht und mit leerem Blick zu dem Jungen auf.
»Schon gut«, sagte Robin und nahm ihre Handtasche. »Gehen wir, Cormoran.«
Ungelenk und schwankend stand er auf und zwängte seinen massigen Körper aus der engen Nische hinter dem Tisch. Er funkelte den Barkeeper böse an. Dass dieser einen Schritt zurückwich, konnte Robin ihm kaum verdenken.
»’s gibt kein Grund«, verkündete Strike, »mich anzuschrein. Kein Scheißgrund.«
»Alles klar, Cormoran. Verschwinden wir«, sagte Robin und trat ebenfalls zurück, um ihm Platz zu machen.
»Kleinmomentnoch, Robin«, sagte Strike und hob die Hand. »Kleinmoment.«
»Oh Gott«, murmelte sie.
»Schomma geboxt?«, fragte Strike den verängstigt dreinschauenden Barkeeper.
»Gehen wir, Cormoran!«
»Ich schon, Kumpel. Inner Army. Ich warn klasse Boxer.«
» Und was bin ich geworden? Ein gemeiner Lump «, zitierte ein Witzbold an der Bar hinter vorgehaltener Hand.
»Gehen wir«, sagte Robin noch einmal und packte seinen Arm. Zu ihrer großen Erleichterung ließ er sich widerstandslos mitziehen. Er erinnerte sie an das große Kaltblut, das sie auf dem Bauernhof ihres Onkels an den Zügeln herumgeführt hatte.
Draußen an der frischen Luft lehnte sich Strike gegen eines der Fenster. Vergeblich versuchte er, sich eine Zigarette anzuzünden, bis Robin ihm schließlich das Feuerzeug abnahm und ihm Feuer gab.
»Sie müssen was essen«, sagte sie. Er zog mit geschlossenen Augen an seiner Zigarette und hatte leichte Schlagseite, und sie befürchtete, er könnte jeden Augenblick umkippen. »Damit Sie wieder nüchtern werden.«
»Willich aber nich«, jammerte Strike. Er verlor das Gleichgewicht und konnte nur knapp einen Sturz verhindern.
»Kommen Sie mit«, sagte sie und lotste ihn über die Holzbrücke, die die Kluft in der Straße überspannte. Endlich waren die ratternden Maschinen verstummt, die Bauarbeiter hatten Feierabend gemacht.
»Ich hab ma geboxt, Robin. Hamse das gewusst?«
»Nein, das wusste ich nicht«, sagte sie.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihn ins Büro zurückzubringen, damit er dort etwas essen konnte, doch er blieb vor einem Kebabladen am Ende der Denmark Street stehen und taumelte durch die Tür, noch ehe sie ihn aufhalten konnte. An dem einzigen Tisch auf dem Gehweg vor dem Imbiss ließen sie sich nieder und aßen zu Abend. Er erzählte ihr von seiner Boxkarriere bei der Army und schweifte gelegentlich ab, um sie daran zu erinnern, was für eine nette Person sie sei. Beharrlich hielt sie ihn davon ab, allzu laut zu sprechen. Noch war der Effekt des Alkohols, den er intus hatte, deutlich bemerkbar, und das Essen schien kaum zu helfen. Er ging zur Toilette und blieb so lange fort, dass Robin schon befürchtete, er hätte das Bewusstsein verloren.
Sie sah auf die Uhr. Zehn nach sieben. Sie rief Matthew an und erzählte ihm, im Büro gebe es einen Notfall. Er klang wenig begeistert.
Als Strike auf den Gehweg zurücktaumelte, prallte er gegen den Türrahmen. Er lehnte sich schwer gegen das Fenster der Imbissbude und versuchte erfolglos, sich die nächste Zigarette anzuzünden.
»Robin«, sagte er und sah zu ihr hinunter. »Wissense, wasn kai…« Er hickste. »Wasn kairos is?«
»Ein kairos ?«, wiederholte sie und hoffte inständig, dass es sich dabei um nichts Anstößiges handelte, was ihr auf ewig im Gedächtnis bleiben würde – ganz besonders im Hinblick auf den Inhaber des Kebabladens, der höhnisch grinsend die Ohren spitzte. »Nein, keine Ahnung. Sollen wir zurück ins Büro gehen?«
»Das wissense nich?«, fragte Strike und sah sie konzentriert an.
»Nein.«
»Is griechisch«, sagte er. » Kairos . Das is«, und irgendwie schaffte er es, aus den Tiefen seines benebelten Hirns Worte von erstaunlicher Klarheit zu fischen, »der Augenblick der Entscheidung. Ein besonderer Augenblick. Der Augenblick der Wahrheit.«
Bitte, dachte Robin. Bittebitte sag jetzt nicht, dass wir gerade einen solchen Moment haben.
»Wissense, was unsrer war, Robin? Meiner und Charlottes?« Er starrte mit der immer noch nicht brennenden Zigarette zwischen den Fingern ins Leere. »Das war, als sie auf die Station gekommen is … Ich war lang im Krankenhaus und hattese zwei Jahre lang nicht gesehn, und da standse einfach so in der Tür, und alle drehn sich um und hamse auch gesehen, und sie is die Station runter, ohne irgendwas zu sagen, und« – er hielt inne, um Luft zu holen, und
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