Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Raum. Der Anwalt blinzelte ihn sichtlich aufgebracht durch die dicken Brillengläser an.
»Hi, John. Setzen Sie sich doch.«
Aber Bristow stampfte nur mit rotfleckigem Gesicht auf ihn zu, genauso wutentbrannt wie damals, als Strike sich geweigert hatte, den Fall zu übernehmen, und umklammerte mit einer Hand die Rückenlehne des angebotenen Stuhls.
»Ich habe Ihnen doch erklärt«, sagte er, abwechselnd errötend und erbleichend, und zielte dabei mit einem knochigen Finger auf Strike, »ich habe Ihnen klar und deutlich erklärt, dass Sie nur mit meiner Mutter reden dürfen, wenn ich dabei bin!«
»Ich weiß, John, aber …«
»Sie ist mit den Nerven völlig am Ende. Ich weiß nicht, was Sie zu ihr gesagt haben, aber sie hat nur noch geweint, als sie mich heute Nachmittag angerufen hat.«
»Das tut mir wirklich leid; ich hatte nicht den Eindruck, dass meine Fragen sie so belastet hätten …«
»Sie ist in einem schrecklichen Zustand!«, brüllte Bristow ihn an, und seine Hasenzähne glänzten. »Wie konnten Sie es wagen , sie ohne mich zu besuchen? Wie konnten Sie das wagen ?«
»Weil ich glaube, dass wir es mit einem Mörder zu tun haben, der möglicherweise bald wieder zuschlägt, genau wie ich es Ihnen nach Rochelles Trauerfeier prophezeit habe«, sagte Strike. »Die Situation ist gefährlich, und ich will, dass die Sache ein Ende hat.«
» Sie wollen, dass die Sache ein Ende hat? Was glauben Sie, wie es mir dabei geht?«, ereiferte sich Bristow, und seine Stimme überschlug sich dabei. »Haben Sie auch nur eine Vorstellung, was Sie mit Ihrem Besuch angerichtet haben? Nicht genug, dass meine Mutter völlig verstört ist; jetzt ist auch noch meine Freundin wie vom Erdboden verschluckt, und wenn Tony recht hat, ist auch das Ihre Schuld! Was haben Sie mit Alison angestellt? Wo ist sie?«
»Das weiß ich nicht. Haben Sie versucht, sie anzurufen?«
»Sie geht nicht ans Telefon. Was zum Teufel ist eigentlich los? Ich bin den ganzen Tag für nichts und wieder nichts durch die Gegend gefahren, und jetzt komme ich zurück und …«
»Für nichts und wieder nichts?« Strike verlagerte unauffällig sein Bein, damit die Prothese nicht umkippte.
Schwer schnaufend warf Bristow sich in den Stuhl ihm gegenüber und versuchte mit zusammengekniffenen Augen, Strike gegen die durch das Fenster strömende Abendsonne auszumachen.
»Irgendjemand«, erklärte er wütend, »hat heute Morgen meine Sekretärin angerufen und sich als ein wichtiger Mandant ausgegeben, der mich angeblich unbedingt treffen wollte. Also bin ich bis nach Rye gefahren, nur um festzustellen, dass der Mann gar nicht im Lande ist und mich überhaupt niemand aus seinem Büro angerufen hat. Könnten Sie bitte«, ergänzte er und schirmte die Augen mit der Hand ab, »die Jalousie herunterlassen? Ich kann rein gar nichts erkennen.«
Strike zog kurz an der Kordel, die Jalousie sauste klappernd herab und tauchte sie beide in ein kühles, dezent gestreiftes Halbdunkel.
»Das ist wirklich sonderbar«, sagte Strike. »Das klingt beinahe so, als hätte Sie jemand aus der Stadt locken wollen.«
Bristow antwortete nicht. Er sah Strike wütend und schwer atmend an.
»Es reicht«, erklärte er unvermittelt. »Ich entziehe Ihnen den Auftrag. Meinetwegen können Sie den Vorschuss behalten, den ich Ihnen bezahlt habe. Ich muss an meine Mutter denken.«
Strike zog verstohlen sein Handy aus der Tasche, drückte ein paar Tasten und legte es auf seinen Schoß.
»Wollen Sie gar nicht wissen, was ich heute im Ankleidezimmer Ihrer Mutter entdeckt habe?«
»Sie waren … Sie waren im Ankleidezimmer meiner Mutter? «
»Ganz richtig. Ich wollte einen Blick in diese brandneuen Handtaschen werfen, die Lula am Tag vor ihrem Tod bekommen hatte.«
Bristow begann zu stammeln: »Sie … Sie …«
»Die Handtaschen haben ein heraustrennbares Futter. Bizarre Idee, nicht wahr? Und unter dem Futter der weißen Tasche lag ein Testament; von Lula handschriftlich auf dem blauen Briefpapier Ihrer Mutter verfasst und bezeugt von Rochelle Onifade. Ich habe es der Polizei übergeben.«
Bristow blieb der Mund offen stehen. Sekundenlang fehlten ihm die Worte. Schließlich flüsterte er: »Aber … Aber was stand darin?«
»Dass sie ihren gesamten Besitz ihrem Bruder Lieutenant Jonah Agyeman von den Royal Engineers hinterlässt.«
»Jonah … wem?«
»Werfen Sie einen Blick auf den Computer im Vorzimmer. Da finden Sie sein Bild.«
Bristow stand auf und tappte wie ein Schlafwandler nach
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