Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
sich hinauf, bis er in eine lange Reihe kleiner, gepflegter Gärten spähen konnte. Zwischen jeder frisch gemähten, umhegten Rasenfläche und dem dazugehörigen Haus führte eine schattige Treppe ins Souterrain. Um die rückwärtige Fassade des Hauses zu erklimmen, waren nach Strikes Auffassung entweder eine Leiter oder eine helfende Hand sowie einige robuste Seile nötig.
Er glitt wieder von der Mauer und landete mit einem erstickten Ächzen auf der Prothese.
»Nichts passiert«, sagte er, als Robin einen besorgten Laut von sich gab; sie hatte sein leichtes Humpeln bemerkt und fragte sich, ob er sich womöglich den Fuß verstaucht hatte.
Das Kopfsteinpflaster war Gift für seinen wund gescheuerten Stumpf, und die Unbeweglichkeit seines künstlichen Knöchels machte das Gehen auf unebenem Terrain ungleich schwieriger. Strike fragte sich reumütig, warum er überhaupt an der Mauer hochgesprungen war. So hübsch Robin auch sein mochte – sie konnte der Frau, die er gerade verlassen hatte, nicht das Wasser reichen.
3
»Bist du dir sicher, dass er ein Detektiv ist? Andere Leute googeln kann schließlich jeder.«
Nach einem langen Arbeitstag, einem übel gelaunten Kunden und einem Zusammenstoß mit seinem neuen Chef war Matthew merklich gereizt, weshalb er auch kein Verständnis für die in seinen Augen naive und völlig deplatzierte Bewunderung seiner Verlobten für einen anderen Mann aufbrachte.
»Er hat niemanden gegoogelt«, sagte Robin. » Ich habe gegoogelt, während er an einem anderen Fall gearbeitet hat.«
»Das Ganze gefällt mir überhaupt nicht. Er schläft in seinem Büro, Robin. Findest du nicht, dass das ein bisschen eigenartig ist?«
»Wenn ich’s dir doch sage: Ich glaube, er hat sich von seiner Lebensgefährtin getrennt.«
»Das wundert mich nicht«, entgegnete Matthew.
Robin knallte seinen Teller auf ihren und marschierte in die Küche. Sie war wütend auf Matthew und irgendwie auch auf Strike. Den ganzen Tag über Lula Landrys Bekannte durch den Cyberspace zu verfolgen hatte Spaß gemacht. Wenn sie das Ganze jedoch im Nachhinein und aus Matthews Perspektive betrachtete, drängte sich ihr der Eindruck auf, dass Strikes Auftrag nur unsinnige Zeitverschwendung gewesen war.
»Ich meine ja nur«, sagte Matthew, der ihr nachgegangen war. »Das alles klingt eben ein wenig seltsam. Und was war das überhaupt für ein Nachmittagsspaziergang?«
»Das war kein Nachmittagsspaziergang , Matt. Wir haben uns den Tat… den Ort angesehen, den sein Klient für den Schauplatz eines Verbrechens hält.«
»Robin, du musst daraus nicht so ein Riesengeheimnis machen«, sagte Matthew und lachte.
»Ich habe eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben«, zischte sie über ihre Schulter hinweg. »Ich darf mit dir nicht über den Fall reden.«
»Über den Fall .«
Wieder stieß er ein kurzes, verächtliches Lachen aus.
Robin fuhrwerkte in der Küche herum, stellte Zutaten beiseite und warf Schranktüren zu. Nachdem er sie eine Weile dabei beobachtet hatte, kam Matthew zu dem Schluss, dass er wohl überreagiert hatte. Er stellte sich hinter sie, als sie gerade Essensreste in den Mülleimer kratzte, vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken, umfasste die Brust mit den von Strike versehentlich verursachten Blutergüssen – was Matthews Meinung von ihm unwiderruflich ruiniert hatte – und streichelte sie. Er murmelte besänftigende Worte in Robins honigblondes Haar, doch sie entzog sich ihm und stellte die Teller ins Spülbecken.
Robin kam sich unter Wert verkauft vor. Hatte Strike ihr sein Interesse an den Ergebnissen der Onlinerecherche nur vorgeheuchelt? Immerhin hatte er ihr für ihre Effizienz und Initiative gedankt.
»Wie viele richtige Vorstellungsgespräche hast du nächste Woche?«, fragte Matthew, als sie den Kaltwasserhahn aufdrehte.
»Drei«, schnaubte sie über das gluckernde Wasser hinweg und nahm sich aggressiv den ersten Teller vor.
Sie wartete, bis er sich ins Wohnzimmer zurückgezogen hatte, bevor sie den Hahn wieder zudrehte, und bemerkte da erst, dass ein Stück Tiefkühlerbse in der Fassung ihres Verlobungsrings klebte.
4
Strike traf am Freitagmorgen um halb zehn vor Charlottes Wohnung ein, womit er ihr dreißig Minuten Zeit gegeben hatte, um sich vor seiner Ankunft aus dem Staub zu machen – vorausgesetzt, dass sie dies auch wirklich vorgehabt hatte und nicht doch oben auf ihn wartete. Die großen, eleganten weißen Häuser entlang der breiten Straße; die Platanen; die Metzgerei,
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