Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Überführung hindurchging, über die der Verkehr lärmend hinwegbrauste. »Falls Ihnen der Name von Lulas Freundin aus dem Vashti doch noch einfallen sollte …«
»Ich verstehe ehrlich gesagt immer noch nicht, was Sie so sehr an ihr interessiert.«
»Lula hatte sie gebeten, eigens aus Hammersmith nach Notting Hill zu kommen, hat eine Viertelstunde mit ihr verbracht und ist dann wieder gefahren. Warum ist sie nicht länger geblieben? Wieso haben die beiden sich nur so kurz getroffen? Hatten sie Streit? Alles Ungewöhnliche aus der Zeit rund um einen ungeklärten Tod kann relevant sein.«
»Ich verstehe«, sagte Bristow zögerlich. »Aber … Nun, ein solches Verhalten war für Lula alles andere als ungewöhnlich. Ich habe Ihnen ja erzählt, dass sie ein wenig … ein wenig egoistisch sein konnte. Die Vorstellung, auch ein nur symbolisches Erscheinen könnte das Mädchen glücklich machen, sähe ihr ähnlich. Sie brachte oft für kurze Zeit Begeisterung für Leute auf, wissen Sie, und hat sie dann wieder fallen lassen.«
Seine Enttäuschung über die von Strike gewählte Ermittlungsrichtung war so offensichtlich, dass der Detektiv sich bemüßigt fühlte, unauffällig eine kleine Rechtfertigung für das Riesenhonorar anzubringen, das sein Klient ihm zahlte.
»Außerdem rufe ich an, um Ihnen mitzuteilen, dass ich mich morgen Abend mit einem der Kriminalbeamten treffe, die damals ermittelt haben. Mit Eric Wardle. Ich hoffe, die Ermittlungsakte zu bekommen.«
»Fantastisch!« Bristow war hörbar beeindruckt. »Das nenne ich schnelle Arbeit!«
»Ja, ähem, ich habe gute Kontakte zur Met.«
»Dann können Sie vielleicht das Rätsel des Läufers lösen! Sie haben meine Notizen gelesen?«
»Natürlich, sehr nützlich«, sagte Strike.
»Und ich versuche, für diese Woche ein Mittagessen mit Tansy Bestigui zu arrangieren, damit Sie sich mit ihr treffen und ihre Aussage aus erster Hand hören können. Ich rufe Ihre Sekretärin an, ja?«
»Großartig.«
Das spricht für eine unterbeschäftigte Sekretärin, die man sich nicht leisten kann, dachte Strike, nachdem er das Gespräch beendet hatte: Sie macht einen professionellen Eindruck.
Wie sich zeigte, lag das Obdachlosenheim St. Elmo gleich hinter der lauten Betonüberführung. Ein schlichter, schlecht proportionierter, zeitgenössischer Cousin von Lulus Stadthaus in Mayfair: Klinker mit deutlich bescheideneren, schmutzig weißen Verblendungen; keine Vortreppe, kein Garten, keine eleganten Nachbarn, sondern lediglich eine zerschrammte Tür zur Straße hin, abblätternde Farbe an den Fensterrahmen, desolate Atmosphäre. Eine zweckmäßige, moderne Welt hatte es von allen Seiten eingekeilt, sodass es geduckt, elend und nicht länger im Einklang mit seiner Umgebung dazukauern schien. Die Überführung war kaum zwanzig Meter entfernt, sodass die oberen Fenster direkt auf Betonleitplanken und einen endlosen Autostrom blickten. Der große silberfarbene Klingelknopf mit Sprechanlage neben der Tür und die hässliche schwarze Kamera mit heraushängenden Kabeln, die sichtbar in einem Drahtkäfig am Türsturz hing, erzeugten eine unverkennbare Anstaltsnote.
Eine ausgemergelte junge Frau mit einer verschorften Stelle am Mundwinkel stand in einem übergroßen, schmutzigen Männerpulli vor der Haustür und rauchte. Sie lehnte an der Wand und starrte aus leeren Augen zu dem keine fünf Gehminuten entfernten Einkaufszentrum hinüber. Als Strike an der Tür klingelte, musterte sie ihn, als versuche sie, sein Potenzial abzuschätzen.
Unmittelbar hinter der Tür lag ein kleiner, modriger Eingangsbereich mit schmutzigem Boden und abgenutzter Holztäfelung. Links und rechts gingen Türen ab, deren Glaseinsätze den Blick auf einen kahlen Flur und einen schäbigen Nebenraum mit einem Tisch voller Prospekte, einem alten Dartboard und zahlreichen Löchern in der Wand freigaben. Geradeaus befand sich ein mit einem Metallgitter gesicherter Empfangstresen.
Die Frau dahinter kaute Kaugummi und blätterte in einer Zeitung. Sie wirkte missmutig und misstrauisch, als Strike fragte, ob er eine Heimbewohnerin sprechen könne, die so ähnlich wie Rachel hieß und mit Lula Landry befreundet gewesen war.
»Sind Sie von der Presse?«
»Nein, das bin ich nicht. Ich bin der Freund eines Freundes.«
»Dann müssten Sie ihren Namen doch kennen.«
»Rachel? Raquelle? Irgendwas in dieser Art.«
Hinter der misstrauischen Frau erschien ein Mann mit beginnender Glatze.
»Ich bin Privatdetektiv«,
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