Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
auf eine Holzbank mit Blick übers Wasser. Er zündete sich eine Zigarette an und schlug die Seite vier der Zeitung auf, auf der unter der Schlagzeile DUFFIELDS BESUCH AM TOTENBETT VON LULAS MUTTER ein Farbfoto von Evan Duffield prangte (Kopf gesenkt, großer Strauß weißer Blumen in der Hand, schwarze Mantelschöße hinter ihm herwehend).
Der Artikel war nichtssagend, eigentlich kaum mehr als eine erweiterte Bildunterschrift. Die schwarz geränderten Augen und der wehende Mantel, der leicht gehetzte, geistesabwesende Gesichtsausdruck erinnerten an Duffields Erscheinung auf dem Weg zu Lulas Beerdigung. In den Zeilen unter dem Farbfoto wurde er als der tief besorgte Schauspieler und Musiker Evan Duffield bezeichnet.
Strikes Handy vibrierte, und er zog es aus der Tasche. Er hatte eine SMS von einer unbekannten Nummer bekommen:
News of the World, Seite 4: Evan Duffield. Robin
Er grinste den kleinen Bildschirm an, bevor er das Handy wieder einsteckte. Die Sonne wärmte ihm Kopf und Schultern. Kreischende Möwen segelten über ihn hinweg, und Strike lehnte sich in dem angenehmen Bewusstsein, dass er nirgends hinmusste und von niemandem erwartet wurde, zurück, um die Zeitung auf der sonnigen Bank von der ersten bis zur letzten Seite durchzulesen.
10
Robin stand inmitten dicht gedrängt schwankender Pendler in der gen Norden fahrenden U-Bahn der Bakerloo Line, in der jeder das zu einem Montagmorgen passende, trübselig angespannte Gesicht zur Schau trug. Sie fühlte ihr Handy in der Manteltasche vibrieren und versuchte, es hervorzuangeln, wobei ihr Ellenbogen sich unangenehm in eine nicht näher spezifizierte, schlaff-weiche Körperregion des Anzugträgers mit Mundgeruch neben ihr grub. Als sie sah, dass die Nachricht von Strike kam, war sie vorübergehend fast so aufgeregt wie gestern, als sie Duffield in der Zeitung entdeckt hatte. Sie rief die Nachricht auf und las:
Bin unterwegs. Schlüssel hinter WC-Wasserkasten. Strike
Sie steckte das Handy gar nicht erst wieder ein, sondern behielt es in der Hand, als der Zug durch unbeleuchtete Tunnel weiterratterte, und versuchte, den schlechten Atem des fetten Mannes nicht einzuatmen. Sie war verstimmt. Gestern hatten Matthew und sie mit zwei von Matthews Studienfreunden in seinem bevorzugten Gastropub, dem Windmill am Clapham Common, zu Mittag gegessen. Als Robin in einer aufgeschlagenen Zeitung am Nebentisch Evan Duffields Foto erblickt hatte, hatte sie sich mitten in einer von Matthews Storys atemlos entschuldigt und war hinausgelaufen, um Strike eine SMS zu schicken.
Matthew hatte später angemerkt, sie habe sich schlecht benommen, aber noch unhöflicher sei es gewesen, nur um dieser lächerlichen Geheimnistuerei willen nicht zu erklären, was sie vorgehabt hatte.
Robin umklammerte den Haltegriff fester, und während ihr schwergewichtiger Nachbar sich gegen sie lehnte, weil die U-Bahn bremste, kam sie sich ein bisschen töricht vor und war leicht aufgebracht über die beiden Männer, vor allem über den Detektiv, der sich offenbar nicht im Mindesten für das ungewöhnliche Verhalten von Lula Landrys Exfreund interessierte.
Bis sie durch das gewohnte Chaos und die Abfallberge zur Denmark Street marschiert war, wie angewiesen den Schlüssel hinter dem WC -Wasserbehälter hervorgeholt hatte und sich nochmals von einer hochnäsig klingenden Frau in Freddie Bestiguis Büro hatte abwimmeln lassen, war Robin gründlich schlecht gelaunt.
Währenddessen und nichts ahnend kam Strike in genau diesem Augenblick am Ort des romantischsten Augenblicks in Robins Leben vorbei. An diesem Morgen waren die Stufen unterhalb der Eros-Statue von italienischen Teenagern besetzt, als er auf dem Weg zur Glasshouse Street auf der Seite von St. James’s daran vorüberging.
Der Eingang zum Barrack, dem Club, in dem es Deeby Macc so gut gefallen hatte, dass er gleich nach seiner Ankunft aus Los Angeles stundenlang dortgeblieben war, lag nicht weit vom Piccadilly Circus entfernt. Die Fassade sah aus wie aus Betonfertigteilen zusammengesetzt; der Name war in glänzend schwarzen Lettern senkrecht darauf angebracht. Das Barrack erstreckte sich über vier Stockwerke. Wie Strike erwartet hatte, waren über dem Eingang Kameras montiert, die wahrscheinlich den größten Teil der Straße erfassten. Er machte einen Rundgang um das Gebäude, erkundete, wo die Notausgänge lagen, und erstellte für sich selbst eine grobe Skizze der Umgebung.
Nach einer weiteren langen Internetsitzung am Vorabend hatte
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