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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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eine Ende des Seils an die Brüstung und warf den Rest nach unten, bis das andere Ende die Astern im Garten streifte.
    Schnell lief Eva noch zu ihrem Frisiertisch, nahm von dort das Tagebuch ihrer Mutter und ihre silberne Haarbürste und stopfte beides in ihre Taschen. Dann holte sie tief Luft und raffte all ihren Mut zusammen. »Ich klettere zuerst hinunter. Und dann werdet ihr mir folgen, eine nach der anderen.«
    »Wie kleine Äffchen«, folgerte Mimi.
    »Nur leiser«, mahnte Lena. »Falls
sie
zurückkommt.«
    »Ja, wir müssen alle sehr, sehr leise sein!«, stimmte Eva zu.
    »Wie kleine Mäuseäffchen!«, fiel Mimi mit mausähnlicher Piepsstimme ein.
    »Genau«, antwortete Eva. »Seid vorsichtig, und vergesst nicht, euch festzuhalten! Ich warte unten auf euch.« Damit schwang sie sich über die Brüstung und machte sich unsicher und ungeschickt an den Abstieg.
    Kurze Zeit später atmete sie erleichtert auf, als sie es alle drei ohne Panne in den Garten geschafft hatten. Doch als sie das eiserne Gartentor erreichten, zögerte Lena. »Wir können nicht in unseren Nachthemden hinausgehen. Und auch noch barfuß!«
    »Wir müssen«, entgegnete Mimi, die ausnahmsweise einmal recht erwachsen klang. »Wenn wir hierbleiben, kommt Odette vielleicht zurück und erwischt uns.«
    »Vite!«,
flüsterte Eva. Das Tor gab ein scharfes Quietschen von sich, als sie hindurchgingen. Dann rannten sie alle drei los, dem Sonnenuntergang entgegen.
    »Wohin gehen wir?«, flüsterte Mimi aufgeregt. Für sie schien das alles ein Abenteuer zu sein.
    »Zu Dane«, entschied Eva und versuchte, zuversichtlich zu klingen. »Zu Herrn Satyr.«
    »Wird er uns denn wollen?«, fragte Lena, und es brach Eva fast das Herz, als sie die Unsicherheit in der Stimme der Kleinen hörte.
    »Aber ja!«, versicherte Eva ihr und betete dabei, dass es wahr sein möge. Wie sie allerdings dorthin gelangen sollte, war ihr ein Rätsel. Als sie jedoch an einem Fuhrwerk vorbeikamen, das bereits angespannt war und nur noch auf Fahrer und Passagiere wartete, zögerte Eva nur kurz, bevor sie den Mädchen ein Zeichen gab, dort hinaufzuklettern.
    »Wir stehlen!«, rief Mimi aus und sah dabei entrüstet und entzückt zugleich aus.
    »Nur weil wir in Gefahr sind. Wir werden es morgen mit einer Entschuldigung zurückbringen und dafür bezahlen, dass wir es benutzt haben«, erklärte Eva. »Aber jetzt beeilt euch, und steigt ein! Mäuseäffchen, wisst ihr noch?«
    Wie durch ein Wunder schien der Besitzer des Fuhrwerks sie nicht zu hören, als sie davonfuhren, denn niemand verfolgte sie. Einige Häuserblocks weiter stießen sie auf Pinot, der gerade auf dem Weg zum Stadthaus war.
    »Was hat denn das zu bedeuten?«, wollte er wissen und hüpfte auf die Deichsel des Fuhrwerks.
    Eva beäugte ihn ein wenig misstrauisch. Odettes Verrat hatte sie in ihren Grundfesten erschüttert, und für einen Augenblick fragte sie sich, ob sie ihm trauen konnte.
    »Odette hat uns eingesperrt«, verkündete Mimi. »Sie ist böse.«
    »Das ist nichts Neues. Dieses alte Weib ist so verdorben wie faules Obst.« Pinot hopste auf den Sitz und übernahm die Zügel von Eva. »Wo fahren wir hin?«
    Während sie zum Hain fuhren, erzählte Eva ihm, was geschehen war. Seine Miene wurde grimmig, und er gab einen langgezogenen leisen Pfiff von sich. Es dämmerte bereits, als sie den Aventinischen Hügel und den Hain dort erreichten.
    Dane empfing sie auf der Veranda seines Hauses und runzelte fragend die Stirn. »Was ist geschehen?«, erkundigte er sich. Er wirkte männlich und zuverlässig, und schon sein Anblick allein weckte in Eva den Wunsch, in seine Arme zu sinken.
    »Odette hat uns im Schlafzimmer eingeschlossen, aber wir sind mit den Bettlaken entwischt und haben ein Fuhrwerk gestohlen!«, schnatterte Mimi fröhlich los.
    Dane gab einen angemessen beeindruckten Laut von sich, doch sein Stirnrunzeln vertiefte sich noch. »Na, da bin ich ja froh, dass ihr so vernünftig wart, danach hierherzukommen!«, meinte er, während er beide Mädchen nacheinander vom Wagen hob.
    »Dann müssen wir nicht zurück?«, fragte Lena ihn.
    »Nein, ihr müsst nicht zurück«, antwortete Dane. »Niemals.«
    Er legte seine Hände an Evas Taille und hob auch sie mit Leichtigkeit vom Wagen. Ein verschlossener Ausdruck huschte über sein Gesicht, und er hielt inne, so dass sie mit den Füßen ein paar Zentimeter über dem Boden in der Luft baumelte. Es schien ihn keinerlei Anstrengung zu kosten, sie hochzuhalten, während er ihr

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