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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Zwölftafelgesetz im fünften Jahrhundert vor Christus verboten worden, doch Odette hatte das noch nie gekümmert. Eva war auf Odettes Knien aufgewachsen, mit Zaubergesängen, Pillen und den merkwürdigen kleinen Puppen, die sie anfertigte.
    Im selben Augenblick, als Odette den Raum verließ, kletterte Mimi auf das Bett und begann, darauf herumzuhüpfen. Ihre Nase war mit weißem Puder bedeckt.
    Eva klatschte in die Hände. »Hört einen Moment lang auf und dreht euch einmal, ihr Kleinen! Hat Odette sich um euch gekümmert?«
    Beide Mädchen wandten ihr den Rücken zu, und sie fuhr prüfend mit den Händen über deren Schulterblätter, um zu sehen, ob durch den Stoff ihrer Kleider Anzeichen für Federn fühlbar waren. Es machte sie traurig, dass sie alle ihre wahre Natur verbergen mussten, doch hier in dieser Welt waren sie dadurch sicher, und es war zu ihrem Besten.
    »Hervorragend!«, stellte sie fest. »Eure Rücken sind glatt wie bei Menschen.«
    »Aber ich will meine Flügel wachsen lassen!«, rief Mimi aus.
    »Kannst du aber nicht«, schalt Lena und drohte ihr, Odette imitierend, mit dem Finger. »Flügel sind schlecht. Wir müssen sie beschneiden, damit die Menschen nicht sehen, was wir sind.«
    »Flü-Flüü-Flüüügel!«, beharrte Mimi mit der hell klingenden Stimme, wie sie nur ein fünfjähriges Mädchen haben konnte. »Ich will meine Feenflügel, damit ich fliegen kann!« Sie breitete die Arme aus und sprang im Kreis um das Bett herum.
    Lena verdrehte die Augen und legte einen Arm um den Bettpfosten, doch um ihren Mundwinkel spielte ein winziges Lächeln.
    Eva stemmte ihre Hände in die Hüften. »Wie sehe ich aus, Mädels? Soll ich unseren neuen Kunden so empfangen, in meinem Morgenmantel?« Sie tat so, als wollte sie den Raum verlassen.
    »Nein!« Die Mädchen kicherten angesichts dieser schockierenden Vorstellung, und während sie so lachten, war sogar Lena für einen Augenblick wieder Kind.
    »Nun, dann müsst ihr ein Kleid für mich aussuchen, während ich mein Haar frisiere. Geht zu meinem Kleiderschrank, und sucht ein angemessenes Gewand für eine Heiratsvermittlerin aus, ja?
Vite!
«
    So ernst, als wäre sie mit einer Aufgabe betraut, von der das Wohl und Wehe der Welt abhing, zog Lena einen Stuhl zum Kleiderschrank und begann, die Kleider darin zu durchwühlen. Mit einem Sprung, der zweifellos den Kronleuchter im Stockwerk darunter zum Wackeln brachte, hopste Mimi vom Bett auf den Boden und schloss sich ihr an.
    Während die Mädchen über die Vorzüge jedes einzelnen Kleides debattierten, zog Eva hinter einer spanischen Wand ihre Unterkleider an und setzte sich dann an den Frisiertisch. Schnell drehte sie ihr dunkles Haar zusammen und steckte es mit einem Kamm aus Irismuschel hoch.
    Obwohl sie mit eigenen Plänen in die Erdenwelt gekommen war, musste sie doch auch die Wünsche des Anderweltrates erfüllen, und zwar in Form dieser Treffen mit Kunden, die man ihr von Zeit zu Zeit schickte. Dies war nun der vierte Kunde dieser Art in drei Monaten. Bisher hatte es sich stets um Männer gehandelt – einen Elf, einen Elementar und einen Zentaur, der auf zwei Beinen lief, außer zu Vollmond. Sie hatte es geschafft, für jeden von ihnen passende menschliche Frauen zu finden, die dank sorgfältig angewandter Magie in fröhlichem Unwissen über die Besonderheiten ihrer neuen Ehemänner lebten.
    Es machte ihr nichts aus, ihre Fähigkeit auf diese Weise einzusetzen. Immerhin war das der Grund, warum man ihr überhaupt gestattet hatte, hierherzukommen. Und es stellte ihre einzige Einnahmequelle dar. Sollte sie sich gegen einen Auftrag sperren, konnte der Rat ihr vielleicht befehlen, durch das Portal zurückzukehren, zusammen mit Odette und Pinot. Dann wären Mimi und Lena hier wieder auf sich allein gestellt. Die Lebensgrundlage aller hing von ihr ab, und sie durfte sie nicht im Stich lassen.
    »Ich bin so weit«, verkündete sie und drehte sich zu den Mädchen um. »Nun lasst einmal sehen – was habt ihr für mich ausgesucht?«
    Als Lena und Mimi ihre Wahl präsentierten, stand der dringende Wunsch, ihr zu gefallen, so deutlich in ihren Gesichtern, dass Eva es einfach nicht übers Herz brachte, ihnen zu sagen, wie unpassend das Kleid war. Also verbarg sie ihr Entsetzen, erklärte, es wäre perfekt für den Anlass, und schlüpfte hinein. Seit die Tournüre vor zwei Jahren aus der Mode gekommen war, war es viel einfacher, sich selbst ohne Hilfe anzukleiden. Zwar deuteten die Zierpuppen in den

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