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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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blieb in fahlem Halbschatten verborgen.
    Hinter einer scharfen Kurve, unweit des Parkplatzes, hielt Chad den Wagen an.
    Meghali, die auf dem Beifahrersitz saß, blickte in stummem Abschied zu Myra und Chad. Dann sprangen die beiden auch schon aus dem Wagen, nahmen eine große Tasche aus dem Kofferraum und verschwanden im Dickicht des Waldes, der gleich neben der Straße begann.
    Myra und Chad hörten, wie Meghali wegfuhr. Das Brummen des Motors wurde leiser und leiser, bis es schließlich von der Wildnis verschluckt wurde.
    »Bis jetzt ist alles gut gelaufen«, stellte Chad leise fest und ergriff die Hand seiner Frau. Er spürte, wie sehr sie zitterte. »Hab keine Angst, meine Myra. Du wirst sehen, alles wird gut. Emma und du, ihr seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ich werde nicht zulassen, dass euch etwas zustößt.«
    Myra wischte sich schnell ein paar Tränen aus dem Gesicht.
    »Erinnerst du dich an den Tag, als Emma geboren wurde?«
    »Natürlich!« Chad zog sie sanft in seine Arme.
    »Wie klein und hilflos sie war«, fuhr Myra fort. »Und ich war überwältigt von dem Gedanken, dass man uns dieses winzige Menschlein tatsächlich einfach so mit nach Hause geben wollte. Ich hatte doch überhaupt keine Erfahrung mit Babys, und ich hatte furchtbare Angst, dass ich etwas falsch mache.« Myra lächelte gedankenversunken. »Gleichzeitig war ich sehr stolz, weil unsere kleine Emma so ein liebes und hübsches Baby war.« Sie hob ihr Gesicht und blickte Chad liebevoll an. Die Angst und die Nervosität waren aus ihren Augen verschwunden. Und einen kurzen Augenblick lang war sie wieder die Frau, die Chad vor so vielen Jahren getroffen und in die er sich sofort verliebt hatte. Er drückte sie fest an sich.
    »Jedes Baby ist etwas ganz Besonderes, Chad. Ein kleines Wunder. Der Große Geist ist wirklich allmächtig.«
    » Du bist etwas ganz Besonderes«, flüsterte Chad mit heiserer Stimme und küsste sie zärtlich.
    Eine Welle wohliger Wärme durchflutete sie, und es war gut, dass Myra plötzlich »Emma« sagte und damit den Zauber beendete.
    »Lass uns unseren Plan zu Ende bringen«, meinte Chad und räusperte sich. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    »Ich könnte es nicht verkraften, einen von euch beiden zu verlieren«, sagte Myra leise.
    »Das wirst du auch nicht«, erwiderte Chad mit fester Stimme. »Dies alles ist nicht deine Schuld, Myra. Morris und seine Auftraggeber, die haben uns das eingebrockt. Die Typen sind vollkommen verrückt!« Besorgt stellte er fest, dass die Angst und die Nervosität in Myras Augen zurückgekehrt waren. »Ich verspreche dir, du wirst Emma zurückbekommen«, setzte er hinzu. »Und sollte es das Letzte sein, was ich tue.«
    Chad nahm die schwere Tasche hoch, und gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch das Unterholz.
    Es dauerte nicht lange, bis sie die Stelle erreichten, die Chad für ihren Plan ausgewählt hatte. Sie kamen oft in den Yellow Pine Provincial Park, um zu wandern, und kannten sich gut aus. Es handelte sich um eine kleine Lichtung, die eigentlich nichts weiter war als eine Öffnung im Dickicht, unweit vom Parkplatz und vom Hauptweg entfernt.
    Chad setzte die große Tasche ab und öffnete sie. Er holte zwei Klappspaten hervor und gab einen an Myra weiter.
    »Hier«, meinte er und begann mit der Arbeit.
    An diesem Tag hatte keiner von beiden ein Ohr für die verlorenen Schreie der Habichte und Adler, die ihre Nester in den hohen Wipfeln der Zedern und auf den umliegenden Bergspitzen hatten, oder für das lustige Geschnatter der Streifenhörnchen. Sie bemerkten auch nicht das feine Spiel der Schatten, das die Sonnenstrahlen bewirkten, während sie sich einen Weg durch das Geäst der Bäume suchten. An diesem Tag hatten Myra und Chad nur Augen und Ohren für andere Besucher des Parks, die vielleicht an dieser Stelle vorbeikamen, bevor sie mit ihrer Arbeit fertig waren.
    Sie arbeiteten schnell, aber trotzdem sehr vorsichtig, denn sie durften keine Spuren hinterlassen. Sie hoben eine Grube aus, gerade groß genug, dass ein Mann wie Morris Platz darin fand, und tief genug, dass die Tiere mit ihrer feinen Nase nichts witterten. Die Erde, die sie aushoben, sammelten sie auf Planen.
    Schließlich war Chad mit der Grube zufrieden.
    »Das reicht.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Komm, hilf mir mit den Planen.«
    Sie zogen die Planen mit der ausgehobenen Erde tief ins Dickicht hinein. Dann sammelten sie Zweige und Äste und legten sie über die fertige Grube.

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