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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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Rücken zugekehrt und schien den Ausblick zu genießen.
    Wenig später hatte Myra sich so weit genähert, dass sie deutlich die Gestalt eines Mannes erkennen konnte. Schon von weitem rief sie ihm zu: »Entschuldigen Sie! Können Sie mir sagen, welcher Tag heute ist und wie spät wir es haben?«
    Sie erreichte den Mann genau in dem Augenblick, als er sich zu ihr umdrehte und sie erstaunt ansah.
    Myra blieb das Herz stehen. Es war, obwohl zwanzig Jahre jünger, unverkennbar der Mann, dem sie sich nur Minuten zuvor so nahe gefühlt hatte, mit dem sie verheiratet gewesen war, der aber in dieser Welt ein völlig Fremder für sie war: Chad Blue Knife!
    Myra starrte den jungen Mann verwirrt an, und sie erkannte noch im selben Augenblick, dass sie sich täuschte. Sie war Chad auch in dieser Welt schon
einmal begegnet, am Morgen, im Laden der Tankstelle!
    Ihre Knie begannen zu zittern. Wie konnte sie so tun, als kenne sie ihn nur flüchtig?
    Chad überkam das seltsame Gefühl, als sollte er die junge Frau besser kennen. Etwas an ihr zog ihn auf magische Weise an. Er konnte es sich nicht erklären.
    Chad war sich nicht sicher, ob er verstand, was hier geschah und warum er die ganze Zeit auf die Rückkehr dieser jungen Frau gewartet hatte. Er konnte ihre Verwirrung verstehen. Er verspürte den Wunsch, ihr zu helfen. Aber es gab nichts, was er in diesem Augenblick hätte tun können.
    Daher sagte er nur: »Heute ist Freitag, der 22 . Juni, und es ist genau«, er blickte kurz auf seine Armbanduhr, »neunzehn Uhr fünf.«
    »Freitag, neunzehn Uhr fünf!«, entfuhr es Myra. »Sind Sie sich ganz sicher?«
    Chad zog schweigend sein Handy heraus, schaltete es ein und zeigte der jungen Frau das Display.
    Ungläubig schüttelte Myra den Kopf und ließ sich auf einen großen Felsbrocken sinken.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Chad vorsichtig nach. Offensichtlich begriff sie langsam, das etwas Außergewöhnliches mit ihr geschehen war.
    »Ja, es geht mir gut«, antwortete sie. »Ich dachte nur, es wäre Vormittag.«
    »Es war Vormittag, als die Lawine niederging«, bemerkte Chad beiläufig.
    Myra sah ihn forschend an. »Sie … Du hast mich gesehen? Wo?«
    Chad sah ihr tief in die Augen. An jedem anderen Tag hätte ihr dieser Blick das Herz geraubt. Aber nicht heute. Jetzt gab es Wichtigeres.
    »Bei den Felssäulen.«
    »Du hast sie auch gesehen?«, hauchte Myra. »Also waren sie tatsächlich da!«
    Chad nickte. Dann fügte er kopfschüttelnd hinzu: »Wo warst … du ?«
    Myra nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Mein Name ist Myra Morgenstern, und ich muss dringend deine Großtante Heather sprechen.« Sie sah ihn eindringlich an.
    Chad spürte, dass die Geistwesen aktiv waren. Außerdem empfand er eine tiefe Verbundenheit mit der jungen Frau. Woher dieses Gefühl kam, wusste er nicht. Er wusste nur, dass es innerhalb der letzten Stunden entstanden und seitdem immer stärker geworden war.
    »Weißt du, wie ich heiße?«, fragte er leise.
    »Chad. Chad Blue Knife«, antwortete Myra ebenso leise.
    »Haben wir uns vor dem heutigen Tag schon einmal getroffen?«
    »Nicht in dieser Welt«, entgegnete sie und blickte ihn dabei fest an.
    Chad sah sie eine Weile schweigend an, als suche er etwas in ihrem Gesicht, und sagte dann entschlossen: »Komm, Heather wohnt nicht hier, sondern in Fort Duffey. Ich werde dich zu ihr bringen … Falls du dich gut genug fühlst.«
    Myra nickte abwesend. »Danke. Ich muss nur vorher jemanden anrufen.«
    Schweigend machten sie sich an den Abstieg. Die Sonne war längst untergegangen, als sie endlich den Parkplatz erreichten. Wegen ihrer Kopfverletzung ließ Myra ihren eigenen Wagen stehen und stieg in Chads Auto, einen älteren roten Ford Explorer. Ihre Schläfe pochte heftig, und sie war froh, dass sie nicht selbst fahren musste. Es gab aber etwas, das nicht warten konnte. Als sie schließlich den Highway erreichten und endlich Netzempfang hatten, rief Myra entschlossen Jerry an.
    Was sie sagte, ließ Chad hellhörig werden.
    »Jerry, ich bin es, Myra … Nein, hör zu: Mein Gefühl hat sich noch verstärkt. Meine Entscheidung war absolut richtig … Natürlich weiß ich, wovon ich spreche … Ich hole meine Sachen bei dir ab, sobald es geht … Es tut mir leid, Jerry, aber es muss sein.«
    Chad war alarmiert. Es musste etwas Gewaltiges gewesen sein, das sie gesehen oder erlebt hatte, während sie fort gewesen war. Nur so ließ sich ihre heftige Reaktion verstehen!
    Sie schwiegen eine Weile, dann fragte er

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