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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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an. Nach den Traditionen ihres Volkes war es unhöflich, von sich aus Fragen zu stellen, wenn man nicht derjenige war, der um ein Gespräch gebeten hatte.
    »Es ist etwas geschehen, das von größter Wichtigkeit ist«, begann Chad zu berichten. »Myra ist beim Bergsteigen am Thunder Mountain beinahe von einer Steinlawine überrollt worden. Ein Stein hat sie, wie wir schon erwähnt haben, am Kopf getroffen.« Er wandte sich an Myra. »Vielleicht möchtest du selbst weitererzählen.«
    Myra räusperte sich. »Kurz darauf sind zwei gewaltige Felssäulen vor mir erschienen. Irgendetwas hat mich so stark zu ihnen hingezogen, dass ich nicht anders konnte, als zwischen ihnen hindurchzugehen. Ich habe eine bemerkenswerte Reise hinter mir.«
    Heathers Augen leuchteten auf. Aber ihre Stimme blieb ruhig und sachlich.
    »Und wie kann ich helfen?«
    »Auf der anderen Seite der Säulen habe ich Sie getroffen, Heather.« Myra zögerte. »Oder darf ich du sagen?«
    Heather lächelte. »Natürlich darfst du das.«
    Myra nickte. »Wir beide waren ungefähr zwanzig Jahre älter. Du hast eine der alten Geschichten erzählt, konntest dich aber nicht an alle Einzelheiten erinnern. Du hast mich danach gefragt und gemeint, du hättest mir die Geschichte vor vielen, vielen Jahren schon einmal erzählt. Ich wusste in dem Moment, dass ich damals nicht richtig zugehört hatte. Das war ein Fehler, und den möchte ich jetzt berichtigen. Bitte, es ist sehr wichtig, kannst du mir die Geschichte erzählen?«
    Heather stellte keine Fragen. Ein Blick in Myras Augen hatte ihr verraten, dass die junge Frau die Wahrheit sprach. Dass sie Dinge gesehen und erlebt hatte, die nicht von dieser Welt waren.
    »Um welche Geschichte geht es?«, wollte sie daher nur wissen.
    »Um die Legende vom Lachen der Kinder «, antwortete Myra.
    Heathers Augen weiteten sich, doch sie fasste sich schnell wieder.
    »Nicht alle unsere Geschichten sind für jedermanns Ohren bestimmt. Viele von ihnen sind so bedeutsam, dass sie beinahe so streng gehütet werden wie ein Schatz. Die Legende vom Lachen der Kinder gehört dazu.« Sie machte eine Pause und musterte Myra. »Ich werde dir alles erzählen, was ich weiß«, fuhr sie schließlich fort. »Denn ich spüre, es ist von großer Wichtigkeit, dass du die Geschichte kennst.«
    Und dann erzählte Heather die Legende von der weißblonden Frau, die vor langer, sehr langer Zeit mit ihrer verschlüsselten Botschaft über den Ozean gereist war, wortwörtlich so, wie Myra sie in der Zukunft schon gehört hatte. Diesmal aber erwähnte sie ganz zum Schluss den Talisman.
    »Die junge Frau trug einen wunderschönen zauberkräftigen Talisman aus blaugrünem polierten Stein bei sich, der ihr zum Schutz anvertraut worden war. Er soll wie zwei Vogelköpfe gestaltet gewesen sein, die in entgegengesetzte Richtungen blickten. Und wie gesagt soll er voller magischer Kräfte gewesen sein. Dem Talisman wird nachgesagt, dass er die Fähigkeit in sich trug, Leben zu geben und zu nehmen. In ihm sollen vollkommenes Gleichgewicht und höchste magische Kraft vereint gewesen sein. Nach dem Tod der weißblonden Frau soll er – den alten Geschichten zufolge – an einen besonderen Platz gebracht worden sein, damit er vor bösen Mächten geschützt war. Dort soll er auch heute noch versteckt liegen. Wer immer den Talisman in seinen Besitz bringt und herausfindet, wie man seine magischen Kräfte nutzen kann, der wird über unbegrenzte Macht verfügen – Macht über die ganze Menschheit. Doch mit dieser Macht kann nicht nur Gutes bewirkt werden, sondern auch Schlechtes.«
    Heather beendete ihre Erzählung. Myra hatte die Augen geschlossen. Sie zitterte und konnte kein Wort herausbringen.
    »Willst du darüber sprechen, Kind?«, fragte Heather behutsam.
    Myra schüttelte den Kopf.
    Chad stand auf. »Danke für deine Hilfe, Tante. Ich bringe Myra jetzt besser nach Hause.«
    An der Tür drehte Myra sich noch einmal um, umarmte Heather und sagte leise: »Bitte erzähle niemandem etwas über unser Gespräch, bis ich Genaueres in Erfahrung bringen kann.«
    Heather nickte.
    »Das halte ich auch für das Beste. Und noch etwas: Bis die Sache sich geklärt hat, solltest du dein Leben, wie soll ich sagen … frei von Komplikationen halten.« Sie warf einen Seitenblick auf Chad, der schon im Treppenhaus stand. »Bei Dingen von solch ungewöhnlicher Art ist es oft von großem Nutzen, wenn man den Kopf frei hat.«
    Myra sah Heather an. Sie hatte ihren Rat verstanden. Wie

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