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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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zu den Männern und überlegte kurz. Dann stieß er Chad, der wie ein nasser Sack zu Boden sank, von sich.
    »Wir sehen uns ein anderes Mal!«, zischte er und steckte die Pistole lässig zurück unter sein Jackett. Dann drehte er sich um, ging zu seinem Wagen, stieg ein und fuhr davon.
    Im nächsten Augenblick fand Chad sich umringt von Menschen, die ihn besorgt ansahen. Vorsichtig untersuchte Myra Chads Schulterverletzung, während die Männer ihr gutgemeinte Ratschläge gaben und sie gleichzeitig mit Fragen bombardierten. Einer der Männer versuchte, per Handy die Polizei zu verständigen. Vergeblich, es gab keinen Netzempfang.
    »Wir müssen hier weg«, flüsterte Meghali Myra zu, die ihren Pullover auf Chads Wunde drückte, um die Blutung zu stillen.
    Gemeinsam brachten sie Chad zu seinem Wagen und legten ihn auf den Rücksitz.
    Chad versuchte, seine Verletzung herunterzuspielen, und wollte selbst fahren.
    »Ich werde fahren!«, sagte Meghali entschieden. »Myra, du setzt dich nach hinten zu Chad.«
    Minuten später fuhren sie auf der Schotterstraße, die sie zurück zum Highway brachte.
    »Sei vorsichtig«, rief Chad nach vorne. »Morris kann überall auftauchen.«
    »Ich weiß«, antwortete Meghali und gab Myra die Erste-Hilfe-Tasche aus dem Handschuhfach.
    Myra drückte Chad an sich.
    »Ich dachte, ich würde dich verlieren«, schluchzte sie leise in sein Ohr. Sie bedeckte sein Gesicht mit zärtlichen Küssen, während Tränen über ihre Wangen liefen. In den vergangenen Minuten war ihr plötzlich bewusst geworden, wie selbstverständlich sie davon ausgegangen war, dass Chad immer für sie da war. Er war ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Was sollte sie ohne ihn tun?
    »Ich habe nicht vor zu sterben«, sagte er lächelnd. »Jedenfalls jetzt noch nicht.«
    »Es war eine dumme Idee von dir, einfach so auf Morris loszugehen«, meinte Myra tadelnd.
    »Hast du eine bessere Idee gehabt?« Chads Miene verfinsterte sich. »Wären die Männer vorhin nicht aufgetaucht, hätte Morris mich als Druckmittel benutzt. Er ist ein übler Kerl, der keine Skrupel kennt und der Menschenleben opfern würde, um sein Ziel zu erreichen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine zum Beispiel Emma oder Heather«, sagte Chad ruhig.
    »Emma …«, flüsterte Myra entsetzt. »Emma ist noch immer bei ihrer Freundin Kate. Morris kann das unmöglich wissen. Er kann das doch unmöglich wissen, oder? … O Chad!« Sie griff nach ihrem Handy und tippte mit zitternder Hand Emmas Nummer ein.
    Nichts.
    »Kein Empfang!«, rief sie bestürzt.
    »Lass uns nach Boulder Landing zurückfahren und Emma abholen. Dann bringen wir sie und Heather an einen sicheren Ort.«
    Meghali räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen.
    »Entschuldige«, sagte Chad. »Wir waren so sehr in unsere eigenen Angelegenheiten vertieft, dass wir dich ganz vergessen haben …«
    »Das macht nichts«, entgegnete Meghali.
    »Du wolltest uns erzählen, was du über Morris und diese ganze Geschichte weißt«, warf Myra ein, während sie Chads Schulter notdürftig verband.
    Meghali lachte auf. »Wenn ich etwas Konkretes wüsste, wäre mir um einiges wohler. Aber ich erzähle euch gern, was ich weiß: Ich bin Ethnologin. Und bis gestern habe ich nicht wirklich etwas mit Simon Morris zu tun gehabt. Aber er rief mich an, weil er Informationen über eine bestimmte indianische Legende haben wollte. Er sagte mir, dass ich schon einmal, vor fast zwanzig Jahren, für ihn Nachforschungen in dieser Sache angestellt hätte – für ein Buch, das er hatte schreiben wollen, das aber nie verwirklicht worden ist.« Sie legte eine Pause ein, weil sie versuchte, sich an alle Einzelheiten zu erinnern.
    »Ich war mir sicher, dass ich nie von einem Morris gehört und bestimmt nie für ihn gearbeitet hatte. Aber während ich mit ihm sprach – und das ist der merkwürdige Teil der Geschichte –, hat sich etwas verändert. Plötzlich meinte ich mich vage an meine Arbeit für ihn zu erinnern. Ich stimmte also zu, mich mit ihm zu treffen und die Angelegenheit genauer zu besprechen.« Wieder schwieg sie einen Augenblick lang.
    »Wir haben uns eine Stunde später in einem Café getroffen, aber auch als ich ihn vor mir sah, konnte ich mich nicht an ihn erinnern. Weder seine Stimme noch sein Gesicht kamen mir bekannt vor. Er war ein Fremder für mich. Und doch – da war irgendetwas an ihm … Und dann war da dieser üble Geruch, der von ihm auszugehen schien …« Sie suchte nach den

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