Der Ruf des weißen Raben (German Edition)
Hütte, und Heather und Meghali unterhielten sich, während sie noch am Tisch saßen.
Myra stand auf der Veranda und genoss die Ruhe und die Stille. Sie sah den Streifenhörnchen zu, die geschäftig in den Bäumen herumsprangen, und lauschte dem leisen Lied des Windes in den Zweigen der Zedern. Sie liebte die riesigen Zedern mit ihren geschwungenen Ästen. In ihrem Schatten wuchsen üppige Farne, dicht wie eine grüne Wand.
Heather trat zu ihr auf die Veranda.
»Bleib ein bisschen und hör den Bäumen und den Tieren zu«, sagte Myra und lächelte sie an.
»Das würde ich gern tun«, antwortete Heather und legte ihre dünne Hand auf Myras Schulter. »Aber mein Gefühl sagt mir, dass es Zeit ist für eine neue Reise. Mach einen kleinen Spaziergang, nicht weit, nur um die Hütte herum. Entspann dich und lass die Geistwesen zu dir kommen.«
Chad trat zu Heather auf die Veranda.
»Was hast du zu ihr gesagt?« Er hatte Myra absichtlich allein gelassen, damit sie Zeit für sich hatte.
»Sie glaubt es noch nicht«, erwiderte Heather. »Aber ich spüre deutlich, dass sie die Säulen nicht mehr braucht, um in die Geisterwelt zu reisen. Der Schlüssel dazu liegt in ihr selbst … so wie es schon bei unseren Ahnen war.«
Chad richtete seinen Blick liebevoll auf Myra, die mit ruhigen Schritten durch die hohen Farne ging und dabei kleine Wildblumen betrachtete. Er konnte an ihrem Gesicht erkennen, dass sie sich wieder einmal in der Schönheit der unberührten Natur verloren hatte. Plötzlich sah sie auf. Ihr Blick schien auf einen unbestimmten Punkt gerichtet zu sein, auf etwas, das für Chad unsichtbar war.
Er war sich sicher, dass die Felssäulen ein weiteres Mal aufgetaucht waren, und er begann, leise Gebete zu den Geistwesen zu sprechen, Gebete für Myras unversehrte Rückkehr.
K APITEL 14
Wahres Gesicht
M yra war erstaunt, als sie die Felssäulen vor sich erblickte. Sie war froh und ängstlich zugleich, wusste aber, dass es für sie nur einen Weg gab: zwischen den Säulen hindurch und zu dem Ort, den die Ahnen ihr als Nächstes zeigen wollten.
Sie war sich sicher, dass die anderen auf sie warten würden, egal, wie lange sie fortbleiben würde. Und während sie mit sicheren Schritten zwischen den Felssäulen hindurchschritt, versuchte sie sich darauf zu konzentrieren, eine Verbindung zu ihrem jetzigen Ich zu bewahren. Ihre Aufregung wuchs, und sie fühlte eine nie gekannte Stärke in sich aufsteigen.
Der Versuch, eine Verbindung zu ihrem Ich aufrechtzuerhalten, schlug jedoch fehl. Das merkwürdige Ziehen überkam auch diesmal ihren Körper, und der Wechsel erfolgte genauso schnell und vollständig wie die Male zuvor. Bevor sie wusste, wo sie sich befand, löste sich ein unterdrückter Schrei aus ihrer Kehle.
»Chad, nein!« Sie versuchte, ihn zurückzuhalten, aber er befreite sich aus ihrem Griff und schlich vorsichtig hinter Morris her auf den kleinen Parkplatz.
Myra und Meghali hatten keine Zeit, in Deckung zu gehen. Morris bemerkte sofort, dass jemand sich ihm näherte. Augenblicke, die den beiden Frauen wie eine kleine Ewigkeit vorkamen.
Entsetzt beobachteten sie, wie Morris sich abrupt umdrehte, eine Pistole zog und abdrückte.
Der Schuss hallte durch die morgendliche Stille … und traf Chad in der Schulter.
Der Schmerz fiel wie ein Schatten über sein Gesicht. Er stieß einen Laut aus, der einem wütenden Knurren glich, und fiel durch die Wucht des Aufpralls zu Boden. Myra stieß einen stummen Schrei aus und klammerte sich an Meghalis Arm. Dann wollte sie losrennen, um Chad zu helfen.
Doch die Inderin hielt sie zurück.
»Du musst leben.«
Myra sah sie verzweifelt an. Sollte Chad sterben, so war es ihr egal, ob sie lebte oder nicht!
Auf dem Parkplatz versuchte Chad mühsam, sich aufzurichten, doch Morris war schon bei ihm. Er packte Chad an der gesunden Schulter, presste ihm einen Arm um den Hals und drückte seine Pistole in Chads Wunde.
Chad verzog vor Schmerz das Gesicht, und ein dumpfes Stöhnen entrang sich seiner Kehle.
Myra schloss die Augen. Morris würde Chad umbringen!
In diesem Augenblick fuhren zwei Autos auf den Parkplatz. Mehrere Männer stiegen aus und unterhielten sich laut. Anscheinend wollten sie gemeinsam joggen, denn alle trugen Trainingsanzüge und Laufschuhe. Es dauerte einige Sekunden, bis sie bemerkten, was vor sich ging.
»Hey, was ist denn hier los!«, rief einer der Männer. Er machte einen Schritt auf Morris zu, der Chad noch immer brutal festhielt.
Morris sah
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