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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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hier.« Beunruhigt sah sie Erdis an.
    Das Lächeln verschwand von Erdis’ Gesicht. »Du hast recht. Irgendetwas stimmt nicht. Jemand hätte uns erwarten sollen.«
    »Wie ist das möglich?«, flüsterte Runa entmutigt. »Ich war mir so sicher!«
    Die beiden Frauen starrten aufs Meer hinaus. Was sollten sie tun? Was wurde von ihnen erwartet?
    »Lass uns eine Weile warten«, meinte Runa schließlich. »Wer immer es ist, der uns hier erwarten soll, er ist vielleicht aufgehalten worden.«
    »Gut«, willigte Erdis ein. »Aber nicht hier. Lass uns dort drüben zwischen den Felsen und Büschen Schutz suchen.«
    Sie ergriffen die Zügel ihrer Pferde und gingen zu den Felsen hinüber, die fast ganz von Büschen verdeckt waren. In der Mitte fanden sie ein sandiges Plätzchen. Die Sonne war hinter den Wolken hervorgekommen, und es dauerte nicht lange, bis Erdis eingenickt war.
    Runa hingegen konnte nicht schlafen. Sie war zwar genauso müde und erschöpft wie Erdis, aber sie war gleichzeitig viel zu aufgewühlt, um Ruhe zu finden.
    Was, wenn niemand kommen würde? Was sollten sie dann tun? Wem sollte sie ihre Botschaft überbringen?
    Ein seltsames Gefühl überkam sie. Irgendetwas änderte sich. Nicht in ihr, sondern an der Situation.
    Runa saß zwischen den Felsen, während Erdis schlief, und beobachtete das Ufer. Doch sie sah nur Leere. Über ihr ertönten die einsamen Schreie der Meeresvögel. Es war das erste Mal, dass Runa sie nicht mit Freude, sondern mit Traurigkeit begrüßte. Sie fühlte sich verloren. Verschollen. Verlassen.
    Neben ihr erwachte Erdis aus einem kurzen, aber tiefen Schlaf und sah sie mit seltsamem Blick an.
    Sorge stieg in Runa auf.
    »Ist etwas nicht in Ordnung? Geht es dir nicht gut?«
    »Es geht mir sehr gut«, antwortete Erdis und klopfte verlegen den Sand von ihren Kleidern. Dann sah sie Runa fest an. »Meine Reise endet hier. Deine hingegen dauert an.«
    »Du wechselst in das Reich der Toten?«, fragte Runa entsetzt.
    Erdis lächelte wehmütig.
    »Mein Körper wird weiterleben, Runa, sei unbesorgt. Aber ich muss hierbleiben. Den Rest des Weges musst du allein gehen.«
    Runa starrte sie fassungslos an. Erdis war so viel mehr als nur eine Freundin und Lehrerin für sie. Sie war wie eine Schwester. Sie war ihre Familie, die Einzige, die ihr nach der langen Reise ins Ungewisse geblieben war. Wie sollte sie sie zurücklassen?
    Sie schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Ich hatte einen Traum, Runa. Ich weiß nun, was ich zu tun habe. Und es ist deine Aufgabe, allein weiterzugehen.«
    »Nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht haben, Erdis! Ich kann dich nicht hier in der Fremde zurücklassen! Ich kann keinen Schritt ohne dich machen!«
    Erdis’ graue Augen blickten sie liebevoll an.
    »Du unterschätzt dich, Runa.« Sie nahm Runas Hand und drückte sie fest. »Erinnere dich: Du bist es gewesen, dem die Botschaft im Traum übermittelt wurde. Du bist es, dem Halvar den Talisman gegeben hat. Du bist es, den er auf die Reise geschickt hat. Ich durfte eine Zeitlang deine Begleiterin sein, mehr nicht – aber dafür bin ich sehr dankbar. Du hast immer schon einen besonderen Platz in meinem Herzen gehabt, kleine Schwester, und dort wirst du für immer bleiben. Aber die Zukunft vieler Menschen liegt in deiner Hand. Du musst deine Aufgabe vollenden. Du musst den Kreis schließen und die zwei Raben zusammenbringen!« Sie berührte den ledernen Beutel, in dem Runa den Talisman sicher an ihrem Gürtel trug.
    »Vergiss nicht: Solltest du deine Aufgabe nicht erfüllen, so werden diejenigen, die nach uns kommen, verloren sein. So wichtig ist deine Aufgabe. Du weißt das.« Sie machte eine kurze Pause. »Und es ist von größter Wichtigkeit, dass du deine Aufgabe allein vollendest.«
    Runa nickte. Sie wusste, dass Erdis die Wahrheit gesprochen hatte.
    »Wie gern würde ich mit dir nach Hause gehen und all unsere Lieben wiedersehen …«, begann sie schließlich.
    »Ich gehe nicht nach Hause«, fiel Erdis ihr ins Wort. »Ich werde Xansu Shis Männer aufsuchen und mit ihnen ins Zeltdorf zurückkehren. So hat mein Traum es mir gezeigt. Dort werde ich bleiben, bis es Zeit für mich ist, ins Reich der Toten zu wechseln.«
    »Als Fremde unter Fremden zu leben – für immer.« Runa sah die Freundin mitfühlend an.
    »Du weißt, dass es auch dein Schicksal sein wird.«
    »Ich weiß. Aber es ist meine Aufgabe, meine Reise …«
    »Und es ist meine Aufgabe, bei Xansu Shi und den Menschen in seinem Lager zu bleiben. Ich

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