Der Ruul-Konflikt 6: Im Angesicht der Niederlage (German Edition)
die Delegierten von dem ruulanischen Angriff erfuhren, würden sie das Weite suchen, so schnell sie konnten. Ein Abkommen wäre für immer unmöglich. Noch einmal würde man all diese Spezies nicht an einen Tisch bekommen. Wenn es ein Bündnis geben sollte, musste es jetzt beschlossen werden.
»Und was wird aus den ganzen Menschen auf MacAllister? Und den Asalti?«
»Falls wir uns zurückziehen, sind sie verloren«, meinte Vincent rundheraus. »Es gibt nichts, was wir für sie tun können.«
»Wir könnten bleiben und kämpfen.«
Schweigen antwortete, schließlich erwiderte Vincent: »Frau Präsidentin, ich verstehe Ihren Wunsch, aber wir können nicht gewinnen, nicht gegen eine solche Streitmacht.«
Tyler warf einen Blick in Richtung Delegierten, die immer noch diskutierten. Das Gesprächsthema hatte sich jedoch fort von dem Noorinor-System und hin zu den Problemen zwischen Til-Nara und Nerai verlagert. Ein Plan keimte in ihrem Geist, ein riskanter Plan – und wenn man es recht bedachte, ein moralisch zumindest zweifelhafter. Doch immerhin war es ein Plan.
»Dann brauchen wir mehr Schiffe«, meinte die Präsidentin entschlossen. »Stellen Sie Kontakt zu den Kommandanten der anderen Einheiten her und informieren Sie sie über die veränderte Lage. Ich sorge dafür, dass man uns unterstützt.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, beendete sie die Verbindung. Pommeroy und Hahlbach wechselten einen ratlosen Blick, als die Präsidentin zurück an den Konferenztisch trat. Sie sagte kein Wort, blieb einfach wie eine Statue stehen. Sie versprühte eine ungeheure Präsenz, der sich keiner der Anwesenden zu entziehen vermochte. Nach und nach kamen alle Gespräch zur Ruhe und Tyler fand sich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit wieder.
»Meine Herren, wie ich soeben erfahre, dringen derzeit starke ruulanische Verbände in das MacAllister-System ein.«
Schockiertes Schweigen breitete sich am Tisch aus, dann brach Tumult aus, als die Delegierten und sogar ihre Adjutanten, Sekretäre und Bürokraten durcheinanderredeten. Tyler ließ sie rund eine Minute gewähren und hob anschließend um Ruhe bittend die Hand.
»Die ruulanische Streitmacht ist groß genug, um die Verteidigung des Systems zu überwältigen, und sie werden von Schiffen unterstützt, die wir zweifelsfrei als Teil des militärischen Arms der Kinder der Zukunft identifiziert haben.«
Quel Thai sprang auf, gefolgt von Sal’mon’dai.
»Dann werde ich mit meinen Leuten umgehend auf mein Schiff zurückkehren«, erklärte der Meskalno. »Es tut mir sehr leid, aber wir sind nicht bereit, uns zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Konfrontation mit den Ruul einzulassen. Wir gehen.« Seltsamerweise schien es ihm tatsächlich leid zu tun.
»Die Sca’rith gehen ebenfalls«, meinte Sal’mon’dai. »Ich bitte um Vergebung, Präsidentin Tyler, aber wir haben bereits zu viele Schiffe im Kampf gegen die Ruul verloren. Wir können es nicht riskieren, bei der Verteidigung eines terranischen Systems noch mehr zu verlieren. Es … es tut mir aufrichtig leid.« Der Sca’rith neigte demütig den Kopf, bei den Sca’rith ein Zeichen der Scham.
Tyler überlegte sich die nächsten Worte sehr gut. Falls sie wirklich bereit war, diesen Weg zu gehen, gäbe es kein Zurück mehr. Und falls je herauskäme, was sie getan hatte, würde sich das Terranische Konglomerat am Ende nicht nur mit den Ruul im Krieg befinden. Doch es gab keinen anderen Weg. Es gab einfach keinen.
»Ich bin diejenige, die sie um Verzeihung bitten muss«, sagte sie ruhig und überlegte sich jedes einzelne Wort. »Doch die Ruul haben das System bereits abgeriegelt. Niemand kommt mehr heraus und niemand hinein. Ich befürchte, wir sitzen hier alle fest.«
»Wie hat sie denn das geschafft?«, fragte Vincent verwundert.
»Fragen Sie lieber nicht«, antwortete Botschafter Pommeroy. »Tatsache ist, dass sämtliche Delegierten ihre Schiffe zur Verteidigung des Systems zur Verfügung stellen. Informieren Sie Admiral Coltor über die Situation. Er übernimmt als ranghöchster Offizier das Kommando über die Verteidigung des MacAllister-Systems. Er soll umgehend aus den vorhandenen Schiffen eine schlagkräftige Kampfgruppe zusammenstellen und eine Erfolg versprechende Strategie ausarbeiten.«
»Verstanden, Herr Botschafter.«
Vincent beendete die Verbindung und warf seinem XO einen schrägen Blick zu. »Hättest du das erwartet?«
Ivanov schüttelte den Kopf. »Nie im Leben.«
Überall auf MacAllister
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