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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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»So oder so.« Kurz darauf rief Anne an. Sie nickte erleichtert, als Timothy ihr mitteilte, er würde das Haus heute nicht mehr verlassen.
    »Das ist mir sehr recht«, sagte Anne. »Ich komme erst gegen Abend. Bitte bereite ein schönes Essen vor, ich will etwas mit dir besprechen.« Sie hatte schon aufgelegt, bevor Timothy sie fragen konnte, was.
    Tiefe Unruhe erfaßte ihn. Er lief von einem Raum in den anderen, nahm irgend etwas in die Hand, legte es wieder beiseite, griff nach etwas anderem, stieg in die Wanne, hielt es auch dort nicht aus, kramte in seinen Büchern, reinigte das Aquarium, schaltete sogar sämtliche Video-Programme durch, ging in die Küche und begann Kartoffeln zu schälen, stand aber bald wieder auf, setzte sich in seinen Hometrainer und versuchte, seine Unrast durch hektische Bewegungen abzureagieren.
    Anne sah müde und abgespannt aus. Sie begrüßte ihn mit einem Lächeln, aber Timothy argwöhnte, daß ihre Heiterkeit nur aufgesetzt war, um dahinter eine rabenschwarze Nachricht zu verbergen.
    »Was ist los?« überfiel er sie.
    »Später«, antwortete sie. »Nach dem Essen. Was gibt es Schönes?«
    »Spaghetti mit Ketchup«, erwiderte Timothy mufflig. »Ich denke, das wird dem Anlaß angemessen sein.«
    Anne blickte ihn erschrocken an, dann umarmte sie ihn lachend. »Keine Angst, Tiny«, flüsterte sie, »ich will dir nicht sagen, daß ich jetzt gehe, ganz im Gegenteil!«
    »Was?« schrie er. »Konntest du mir nicht wenigstens etwas andeuten? Ich stürze sofort in die Küche! In einer Stunde sollst du tafeln wie eine Königin.«
    »Ich helfe dir«, sagte Anne.
    Timothy lehnte ab. »Kochen«, so erklärte er, »ist eine viel zu ernste Angelegenheit, um es einer Frau zu überlassen. Kartoffeln darfst du schälen.«
    Während sie beide in der Küche hantierten, berichtete Anne, daß sie keinen Erfolg gehabt hatte; Glovers Gestammel sei ganz offensichtlich nicht zu entziffern. Anne hatte einen Bekannten im Linguistischen Zentrum um Hilfe gebeten, in dem es die besten Sprachentzerrer und Identificomaten der Staaten, wenn nicht der Erde gab. Ihr Bekannter hatte die Kristalle irgendwie einem Computer untergeschoben, der daran arbeitete, fast völlig zerstörte Banddokumente aus dem frühen 20. Jahrhundert zu entziffern, Aufzeichnungen von Brain-storming-Protokollen, sogar jener historischen Diskussionen der Physiker, die in Los Alamos die erste Atombombe entworfen hatten; die Militärs hofften, aus den damals frei assoziierten Gedanken der Wissenschaftler Ansatzpunkte für neue Waffen zu erhalten, aber auch dieser Supercomputer hatte versagt. Kein identifizierbares Wort in keiner der rund achthundert gespeicherten Sprachen, war seine kategorische Auskunft.
    Timothy hatte längst gelernt, sich bei Anne in Geduld zu fassen. Drängen half nichts, in diesem Punkt war sie störrisch wie ein ausgeflippter Computer; er mußte bis nach dem Abendbrot warten. Anne verbannte Schneewittchen aus dem Schlafraum, schaltete die Videowände auf ein fast schwarzes Violett und legte einen Kristall auf. Timothy vernahm Töne, wie er sie bislang noch nie gehört hatte, eine unbeschreibbare Mischung aus den Klängen klassischer und intellektronischer Instrumente, die ihn durch alle emotionalen Tiefen und Höhen riß.
    »Was ist das?« flüsterte er, als die Musik verklungen war.
    »Eine Sinfonie von Berlotta. Er gilt DRAUSSEN zur Zeit als das größte Genie.«
    »Danke, das war wunderschön. Aber nun verrate mir endlich, was los ist. Du mußt mich nicht verlassen?«
    »Ja und nein, Tiny. Ich werde keinen Auftrag mehr übernehmen, und ich bleibe in Chicago, aber wir müssen uns trotzdem bald trennen, zumindest für eine Weile. Ich gehe nach UNTEN.« Sie lächelte. »Ich bekomme ein Kind.«
    »Was?« Timothy setzte sich auf und sah sie mit großen Augen an.
    »Du wirst Vater, Tiny.«
    Timothy saß wie versteinert da. Gedanken schossen wild durch sein Gehirn, stießen zusammen, verhedderten sich, vor allem: Wie war das möglich? Und: Wie sollte es weitergehen? Wieso hatten die Verhütungsdrogen, die in allen Getränken enthalten waren und die man nur unwirksam machen konnte, wenn man mit der Lizenz für ein Kind die Gegenmittel bekam, nicht gewirkt? Gab es eine Chance, das Kind nachträglich durch eine Lizenz zu legalisieren? Wahrscheinlich nicht einmal, wenn er all seine einflußreichen Klienten mobilisierte; er lag zu weit außerhalb der Toleranzen, er mußte ja froh sein, daß er noch vor der Baby-Bill 53 geboren worden

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