Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
verdammt schwer gewesen, sie unauffällig zu versorgen.
Gleich am Morgen nach seinem Flug mit »Marilyn« hatte Timothy begonnen, Vorbereitungen für sein Untertauchen zu treffen, und er war wieder auf das noch immer ungelöste Hauptproblem gestoßen: Napoleon. Gewiß, alle wichtigen Informationen wurden regelmäßig gedoppelt und in den UNDERGROUND transferiert, aber Napoleon barg so viele Dateien – all das über die Jahre gesammelte Wissen, dazu Unmengen von Kristallen mit seinen, ihren Überlegungen –, die sein Gehirn so einzigartig, unverwechselbar und unentbehrlich machten und die unmöglich in ein paar Stunden überspielt werden konnten und im Notfall auch nicht leicht auszubauen und abzutransportieren waren. Die Doppelung eines kompletten Elektronengehirns, zumal eines von Napoleons Kapazität, war noch immer eines der kompliziertesten Probleme der Intellektronik. Seit über einem Jahr besaß Timothy dafür ein wahrscheinlich DRAUSSEN ausgearbeitetes Programm, aber wenn der Prozeß der Doppelung einmal eingeleitet worden war, durfte er nicht unterbrochen werden, wollte man nicht riskieren, daß die subtilen Intrastrukturen zu unentwirrbarem Kauderwelsch verklumpten.
Es wäre schwierig genug, Napoleon ein oder zwei Wochen völlig in Ruhe zu lassen, das eigentliche Problem aber lag darin, eine absolut unkontrollierbare Leitung zwischen Napoleon und einem anderen Computer herzustellen. Als Timothy jetzt die Lösung einfiel, griff er sich mit entsetzter Gebärde an den Kopf; daß er nicht schon vor Wochen daraufgekommen war! Er ließ Napoleon die Gesamtkapazität aller gespeicherten Dats und Ideats berechnen und wie lange eine Doppelung dauern würde. Bei einer Leitung von durchschnittlicher Leistung zehn Tage. Napoleon schickte noch eine Frage hinterher:
+ + was bedeutet das, sir? + mir ist unverständlich, was sie sich von einem alterego versprechen + sind sie mit meiner leistung unzufrieden? + glauben sie im ernst, daß sie mit einer solchen maßnahme zu einer verdoppelten leistung kommen? + darf ich sie auf die Konsequenzen nach dem 4. Computertheorem verweisen? + n. + + +
Timothy lachte, dann schrieb er seine Antwort in den Geber: + + kein kommentar + merke: computer sollten alles wissen, müssen aber nicht alles wissen + t. + + +
+ + wie soll ich dieses paradoxon verstehen? + n. + + + + + gar nicht + ganzen vorgang total löschen + t. + + +
Zehn Tage also. Bei seinem nächsten Gespräch mit dem Großen Bruder verlangte Timothy, daß man schnellstens eine Schaltung zu einem anderen Computer über die Leitung der geheimen Etage herstellen sollte. Hoffentlich war es nicht schon zu spät.
Fast ebenso schwer fiel ihm der Gedanke, Schneewittchen zurücklassen zu müssen. Einen Augenblick erwog er, die Sonic gleich aus dem Haus zu schaffen, aber gerade jetzt mochte er sie nicht missen; sie bildete den Glanzpunkt der Stunden mit Anne, und wie viele solcher Stunden waren ihm noch vergönnt?
Glovers Koma hatte seine Hoffnung über den Haufen geworfen, daß er die gewünschten Informationen schon besaß, wenn Grandma das Kommando für den Einbruch in Fordsville gab. Er konnte nur hoffen, daß es ihren Agenten nicht so bald gelang, die Energiezentrale lahmzulegen. Und daß Hank und Phil endlich mit der Untersuchung des »Laurin« fertig wurden.
Als Timothy zum Penthaus hinüberfuhr, erschrak er zutiefst. Das Gerät lag völlig demontiert in tausend Einzelteilen auf dem Boden des Hangar. Gut, nicht direkt auf dem Boden, auf verschiedenfarbigen Folien und offensichtlich systematisch geordnet, aber er verlor bei diesem Anblick den Mut, daß Hank und Phil das Gerät jemals wieder zusammenbekommen würden. Hank beruhigte ihn, das sei nur eine Sache von Stunden.
»Wie vielen Stunden?« fragte Timothy und sah besorgt auf die Uhr.
»Gestern haben wir es in knapp hundert Minuten geschafft.« Hank schmunzelte. »Wir haben dir nichts gesagt, um dich nicht zu beunruhigen, aber wir hatten den ›Laurin‹ auch vorgestern schon zerlegt. Bis mittags steht er wieder, und wenn Grandma sich nicht meldet, nehmen wir ihn halt wieder auseinander.«
Timothy rief vorsichtshalber gleich bei ihr an, damit sie nicht auf den Gedanken kommen sollte, ihn zu besuchen. Sie wirkte sehr nervös.
»Heute wird es nichts«, sagte sie. »Ich versuche, den Termin noch etwas hinauszuschieben, aber ich weiß nicht –« Sie blickte ihn sorgenvoll an. Timothy zwang sich zu einem Lächeln.
»Wir werden es schaffen«, sagte er zuversichtlich.
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